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Bewegungen in der katholischen Welt.
Vor dem Zusammenbräche wahren kann, allein sie war eben vorübergegangen, die leichtere Beweglichkeit der romanischen Völker nnd die Veränderlichkeit ihrer Gesinnung bot für die Herrschaft der Kirche keine erustern Gefahren. Hat doch schon das Kind der Revolution und ihr Meister Napoleon sich mehr als bereitwillig zu einem Konkordat mit der Kirche herbeigelassen und ihre Hilfe znr Stärkung seiner Macht benutzt.
Anders aber wurde es, als diese Bewegung, von langer Zeit durch philosophische Studien genährt, von den beweglichen und veränderlichen romanischen Völkerschaften auf die germanischen Stämme überging. Bei ihnen, die ihrer Natur nach konservativer, schwerfälliger, aber gemütsreicher sind, findet ein neuer Gedanke zuerst Widerstand, nur allmählich kaun er vordringen; aber wenn er erst Wurzel gefaßt hat, dann schlägt er tiefer in den harten Boden ein und wird zu einem starken Eichbaume, der sich nicht mehr entwurzeln läßt. Von den dentschen Stämmen haben die Sachsen zuletzt das Christentum, dem sie sich anfangs mit aller Macht erwehrt hatten, nach blutigem Kampfe angenommen. Aber treuere Söhne als diese nordischen Germanen hat das Christentum nie gehabt. Schon nach drei Jahrhunderten haben die Sachsen die Gebote des Papstes für höher geachtet, als die Treue zn ihrem angestammten Könige. Wieder aus ihnen heraus ist die reformatorische Lehre hervorgegangen, und sie haben sie mit einer Zähigkeit verfochten, wie in keinem andern Lande der Welt. Noch heutzutage bilden die deutschen Katholiken die festeste Stütze des Papsttums; während bei den romanischen Völkern die katholische Religion mehr nnd mehr in Äußerlichkeiten ihren Ansdrnck findet, neben der Übung der Gebräuche Glcichgiltigkeit gegen die Kirche und ihre Diener eintritt, ist bei den deutscheu Katholiken die größte Hingebung vorhanden. In keiner andern Nation als der deutschen Hütte der Kulturkampf mit solcher Schärfe und Opferwilligkeit geführt werden könneu. Doch es mag dieser Hinweis genügen, denn es hieße bekannte Dinge wiederholen, sollten noch mehr Beispiele für die Gemütstiefe des deutschen Volkes angeführt werden.
Die Bewegung des Jahres 1848 war gegen jede Autorität gerichtet, sowohl gegen die staatliche wie gegen die kirchliche, ja die letzte galt als die Quelle allen Übels und war deshalb fast noch mehr bekämpft als die erstere. Währcud für das bedrohte Königtum auch in den Zeiten hochgradigster Aufregung sich immer noch Anhänger und Parteigänger gefnnden hatten, für die Kirche und deren Rechte war niemand eingetreten. Weder in der Frankfurter noch in der preußischen Nationalversammlung gab es eine katholische Partei, ja Katholiken und nicht selten auch katholische Priester sind mit sehr großer Entschiedenheit für die freiheitliche Bewegung eingetreten. Freilich hat aber auch der deutsche Doktrinarismus der römischen Kirche aus der Revolutionszeit ungeahnte Vorteile gebracht. Das Pnuzip der Trennung von Staat und Kirche, unter welchem sich ein gedankenloser Liberalismus eine