Noch ein Wort über Schöffengerichte.
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Gottlob, daß dem nicht so ist! Man begegnet häufig der Phrase, daß die Schöffengerichte sich „im allgemeinen bewährt" Hütten. Damit ist leider weiter nichts gesagt, als daß sie keinen absonderlichen Schaden gestiftet haben. Das gebe ich zu. Woran liegt das aber? Daran, daß im Schöffengerichte glücklicherweise in deu meisten Fällen der gesunde Menschenverstand des Laienrichters schließlich doch noch mit dem juristischen Verstände des Fachrichters übereinstimmt, daß beide sich decken. Insoweit sind also die Laienrichter mindestens überflüssig. Und wie steht es nun mit der Minderzahl derjenigen Fälle, wo das Zusammenwirken des Fachrichters und der Laienrichter zu einem Ergebnisse führt, das von demjenigen abweicht, welches mit dem Fachrichter allein erreicht worden sein würde, wo also die Ansichten beider Elemente auseinander gehen und das Richtige nur auf einer Seite liegen kann? Ich habe allen Grund zu der Vermutung, daß die Wagschale auch hier sich sehr zu Gunsten des Fachrichters »eigen würde, wenn es möglich wäre, hierüber ein erschöpfendes statistisches Material zusammenzubringen, und kann wenigstens aus meiner Praxis versichern, daß mir nur sehr selten von den Schöffen „neue Gesichtspunkte" eröffnet worden sind, an die ich nicht selber gedacht hätte, daß ich aber in vielen Fällen meine liebe Not gehabt habe, ein auch nur halbwegs der Sachlage entsprechendes Erkenntnis zu stände zu bringen oder gar die Publikation baren Unsinns hintanzuhalten.
Worüber ist denn — abgesehen von rein strafprozessualischen Zwischenfragen, bei denen sich die Schöffen meist ganz auf den Fachrichter zu verlassen pflegen — im Schöffengerichte im wesentlichen zu entscheiden? 1. Über die Frage: Liegt eine bestimmte strafbare Handlung vor oder nicht, oder eine andre als die ursprünglich ins Auge gefaßte?'^)
Ist die Sachlage einfach, wie es gewöhnlich der Fall ist, geht z. B. jemand in einen Laden und nimmt vom Tische mcg ein Geldstück, so werden Richter und Schöffen sofort darin übereinstimmen, daß hier Diebstahl vorliegt. Wozu bedarf es dabei der Zuziehung des einfacheil gesunden Menschenverstandes zu dem juristisch potenzirtm?
Ist die Sachlage dagegen verwickelt, wie dies z. B. bei Betrugsfällen, wo eine ganze Anzahl oft schwer herauszufindender Umstände vereint sein muß, damit der Thatbestand des Vergehens hergestellt erscheint, häufig vorkommt, ja handelt es sich überhaupt nur darum, in recht zweifelhaften Fällen darüber zu entscheiden, ob man es mit einem der zahlreichen, im Strafgesetze garnicht definirten juristisch-technischeu Begriffe zn thun habe oder nicht, wobei oft uicht einmal ohne Kenntnis des Zivilrechts durchzukommen ist (man denke an Begriffe wie Eigentum und Besitz, anvertraute Sache, Verwandtschaftsgrad n. dergl.),
*) Ich trenne die Frage nach objektivem und subjektivem Thatbestande, um uicht allzu weitläufig zu werden, nicht noch besonders.