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Allerlei Tcmfbcchnen,
Vaterstadt geworden; doch wie mitleidig blickt auf sie, die begabten, fleißigen Brüder, derselbe Moritz herab, der sie niemals leiden konnte, weil sie ihm von frühester Jngend ans als Master vorgehalten worden waren! Seine Jugend war insofern recht bewegt, als er von einer Schule zur andern, dann von einem Berufe zum andern fortgeschoben wurde, der eigne Vater, zwei Landwirte nnd drei Handwerksmeister ihn nicht behalten wollten, weil er zu dumm nnd zu faul sei. Endlich hieß es: Ins Militär mit ihm! Und da in seinem Vaterlande die Ansicht nicht mehr bestand, daß der überall sonst Unbrauchbare immer noch einen tauglichen Offizier abgeben könnte, schickte man ihn nach Holland. Die Mntter jammerte, aber der Vater blieb unerbittlich, nnd für Moritz selbst war die Aussicht, Uuiform zu tragen, nicht ohne Reiz. Indessen war ihm nicht bcschieden, Heldenruhm zu erwerben oder ein Opfer des gelben Fiebers zu werden: noch ehe das Schiff nach Java abging, traf die Nachricht von dem plötzlichen Tode seines Vaters ein, er qnittirte sofort den Dienst, kehrte nach Hause zurück, um seiu Erbteil zu erheben, und ging dann „auf Reisen/' d, h, er fuhr ohne Aufenthalt einem der rheinischen Spielbäder zn, da er sich in den Kopf gesetzt hatte, mit einein Schlage reich zu werden.
Gierig und furchtsam zugleich die grünen Tische umschleichend, bald hier bald dort einige Gulden wagend nnd verlierend, erregte er die Aufmerksamkeit eines täglichen Gastes der Bank, welcher leicht in ihm das Mnttersöhnchen mit gespickter Börse witterte uud ihu uuter seine Flügel zu uehmen beschloß. Herr von Damuitz, wie der Mauu sich nannte und vielleicht wirklich hieß, hatte schon mancherlei im Leben versucht. Er war Offizier, Schauspieler, „Literat," in Amerika Kanfmann, Schullehrer uud Packträger gewesen, kannte Paris, London uud Newyvrk „wie seine Hosentasche," sprach manchmal auch von San Francisco und leugnete eiu andermal, dort gewesen zu sein. Wie viel er in seinen Erzählungen der Wahrheit zusetzte uud wie viel er verschwieg, das hätten auch Gescheitere als unser Moritz schwerlich herausgebracht. Diesem imponirtc er durch seine Weltkenntnis und durch seine Ratschläge, bei vorsichtigem, kleinem Spiel mäßigen Gewinn zu machen. Und zwar schlug er dabei einen Ton an, welcher für den holländischen Lentucmt a. D. gänzlich neu war: er behandelte ihn nicht als dummen Juugen, sondern als jüugeru Freund, welchem es nur an Erfahrung fehlte. So bildete sich zwischen beiden jene Art von Vertraulichkeit heraus, welche häufig Freundschaft genannt wird. Moritz that uichls ohne Damuitz, uud Damnitz schien es nicht zn bemerken, wenn Moritz ihre gemeinschaftliche Zeche, Spazierfahrten u. f. w. bezahlte.
Bald knuute der ältere Freuud die Verhältnisse des jüngern aufs genaneste nnd erkannte, daß derselöe von seinen Zinsen nicht leben könne, vielmehr sein Vermögen in nicht zn lauger Zeit aufgezehrt haben werde. Das mochte.aber nicht in seine Pläne passen. Er riet, irgcudetwas zu uuteruchmen, wobei das Geld mehr Frncht trage. Damit war Moritz wohl einverstanden, aber jede vorgeschlagene bürgerliche Bcschäftiguug erinnerte au frühere praktische Studien nnd wurde deshalb ohne Angabe deS Grundes abgelehnt. Schon fing Damuitz an, ungeduldig zu werden, als seiu Schüler eines schönen Tages ihn mit der Eröffnung überraschte, er habe einen vortrefflichen Plan. Und die Ueberraschuug wuchs noch erheblich, als herauskam, Moritz wolle eine Zeitung herausgeben. „Sie — eine Zeitung?" war alles, was der Abenteurer hervorbrachte. Die in triumphirendem Tone gegebene Antwort aber lautete: „Ja, uud zwar eine ganz neue Art." Was sämtliche Gäste am eifrigsten läsen, mit Ungeduld einander ans den Händen nähmen? Die Kurliste. Uud das mit Recht, denn die sei immer interessant, wahrend alle Zeitungen dummes, langweiliges Zeug enthielten, Politik und dergleichen mehr,