Beitrag 
Die Arbeiterschutzgesetzgebung in Belgien.
Seite
3
Einzelbild herunterladen
 

Die Arbeiterschutzgesetzgebung in Belgien.

seine Unschuld nachweisen müsse. Dieser Grundsatz würde bei strenger Durch­führung zu einem Ruin der Industrie führen und infolge dessen dem ganzen Arbeiterstande schaden, wenn er auch dem Einzelnen im konkreten Falle zu Gute kommen mag; keineswegs werden alle Fälle gedeckt. Bei den belgischen Unter- gerichtcn und sogar bei deu nur aus Handeltreibenden zusammengesetzten tri- dvumux Äs <zorQmvr<z«z hatte jedoch die Theorie von Sainetelettc Anerkennung gefunden, bis sie vom obersten Gerichtshofe dnrch Urteil vom 8. Januar 1886, welches die herkömmlich gewesene Beweisthevrie wieder zur Geltung bringt, beseitigt wurde. In dieser Beziehung teilt die belgische Jurisprudenz das Schicksal ihrer Genossen in andern Ländern, weil man diese ihrem Kerne nach wesentlich soziale Frage nicht nach den Gesichtspunkten des Privatrechts ent- scheiden kann. Wir erinnern an die vergeblichen Versuche, welche in den letzten Jahren im italienischen Parlamente gemacht worden sind, um die streng juri­stischen Grundsätze der Haftpflicht mit der Billigkeit, der industriellen Wohl­fahrt und dem sozialen Frieden in Einklang zu bringen. Von den zahlreichen Anträgen bezüglich der Ävviäouti Äo»1i oxoraj hat kein einziger allgemeinen Beifall gefunden. Auch die italienische Literatur ist, durch diese Frage an­geregt, zu den verschiedensten Vorschlägeil gelangt, ohne der Lösung des Rätsels näher zn kommen. Auf dem Boden des Privatrechts ist hier kein er­lösender Gedanke mehr zu finden, man muß den erstem gänzlich aufgeben und wird die Rettuug aus dem Wirrsal nur aus dem öffentlichen Rechte schöpfen können. Dieses Prinzip liegt bekanntlich den deutschen Gesetzen über die Krcmken- und Unfallversicherung zu Grunde, indem es aufs neue die Pflichten, welche sich aus der Gemeinsamkeit des Berufs ergeben, zur Erfüllung bringt. Nicht darum handelt es sich, festzustellen, wie mall die Last des Unfalls auf den Be­troffenen und seine» Arbeitgeber, sondern wie man sie auf eine so organisirtc Mehrheit von Berufsgenvsfen verteilt, daß den Einzelnen der auf ihn fallende Anteil nicht fühlbar drückt.

Auch dieses Gegenseitigkeitsprinzip ist den in Belgien angestellten Ver­suchen nicht fremd geblieben. Im Jahre 1851 ergiug unterm 3. April ein Gesetz bezüglich der Gesellschaften zu gegenseitiger Unterstützung (soeivtLS äs ssoours mutusls), deren Zweck zum Teil mit dem unsrer Krauten- nnd Sterbe­kassenvereine, zum Teil mit dem unsrer Konsumvereine und ähnlicher Genossen­schaften zusammenfällt und die offenbar nach dem Muster der französischen Ge­sellschaften gleichen Namens nnd der englischen lrioiM^ soviel^ gebildet sind. Diejenigen Gesellschaften, welche ihre Staturen der Gemeindebehörde ihres Sitzes einreichen nnd durch deren Vermittlung die Genehmigung der Regierung er­langen, genießen die Rechte einer juristischen Person, die Fähigkeit, freigebige Zuwendungen zu erwerben und gewisse Befreiungen von Stempel- nnd Steuer- gebühren. Dieses Privilegium war jedoch uicht geeignet, einen besondern Anreiz auf die Gesellschaften zur Erlangung der staatlichen Genehmigung zu bilden.