Notizen.
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hochgestellte Geistliche werden nicht mehr respektirt, wenn sie mit dein großen Haufen nicht übereinstimmen, nnd man kaun dem Zentrum wvhl zurnfein „Achtet erst enre Bischöfe uud Dekaue selbst und hört auf sie, ehe ihr von den Nichtkatholiken verlangt, daß man eure kirchlichen Autoritäten respektire," Das gehört eigentlich nicht znr Sache. Allein die Abschweifung lag nahe, und die Nntzanwcndnng crgiebt sich aus dem lehtgesagten ebenso wie aus dem früherm Immer lantct sie: Alle Parteien, die den Staat nicht zerstören, sondern erhalten »vollen, haben das größte Interesse an der Anfrechthaltnng jeglicher Autorität, möge sie Namen haben, welche sie wolle. Die Gerichte aber vor allem müssen respektirt werden, denu ist das Vertraueu in ihre Unabhängigkeit gestört, dann ist das ganze Staatswesen untcr- graben. Volksvertretung und Presse sollten sich deshalb gemeinsam jeder Aenßernng enthalten, die so gedeutet werden könnte, als hielte man nnsre Gerichte nicht über alles Parteiwesen erhaben.
Die Prostitutionsfrage hat schon vielen Anlaß zum Meinungsaustausch gegeben, sie war auch die Ursache verschiedner in der vorigen Sitzungsperiode des NeichtageS bei diesem eingereichten, vom Reichstage, wenn ich nicht irre, dem Reichskanzler teils zur Erwägung, teils zur Kenntnisnahme mitgeteilten Petitionen. Wie sehr aber die Ansichten in dieser Angelegenheit noch auseinander gehen, geht am besten aus den widersprechenden Verlangen hervor, welche zur Beseitigung der Uebel des Prostitutivnswesens gestellt werden. Da wird einerseits möglichst strenges Vorgehen gegen die gewerbliche Unzucht, anderseits möglichste Nachsicht und Wiedereinführung der polizeilich zu überwachenden Bordelle verlangt, wieder andre wollen keins dieser Extreme, aber Verbannung der Prostiluirteu in gewisse abgelegne Häuser. Um zwischen diesen verschieduen Ansichten den richtigen Weg zu finden, muß man vor allem einen grundsätzlichen Standpunkt feststellen, von welchem ans man sicher vorgehen knuu. Wird man dabei anch zugesteheu müssen, daß die Prostitution ebensowenig thatsächlich aus der Welt geschafft wcrdeu kann wie Trnnk und Spiel, so wird mau doch nnniöglich so weit gehen können, die Existenz der Prostitution als eine Notwendigkeit zn betrachten, wie dies vielfach behauptet wird, wobei uns stets der Verdacht aufsteigt, daß die, welche also reden, für ihre eignen Neiguugeu eine Beschönigung suchen wolleu. Bestreitet man diese Notwendigkeit, dann erweist sich die Wiedereinführung der Bordelle grundsätzlich als unmöglich, ebenso wie die. öffentliche Dnldnng der Spielbanken ausgeschlossen ist. Gegen die Zulassung der Bordelle spricht aber noch ein Umstand, der sehr schwer ins Gewicht fällt nnd doch gewöhnlich anßer Acht gelassen wird, daß nämlich der Bordellhalter nicht etwa bloß ein Privilegium besitzt, gefallene Dirnen aufzunehmen (dagegen wäre vielleicht nicht so viel einznwenden), sondern daß er, um seiu Geschäft aufrecht zu erhalten, gezwungen ist, nm den schrecklichen Knnstansdruck zu gebrauchen, für „frische Waare" zu sorgen, also geradezu gesetzlich zum Betriebe der Kuppelei und Verfnhrnng privilegirt ist. Es geht daher unsre Gesetzgebung von einem ganz richtigen Gesichtspunkte aus, wenn sie die gewerbsmäßige Unzucht bestraft, diejenigen Frauenspersonen aber, welche sich derselben nnchgewiesenermaßen ergeben haben, zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstcmdes unter sittenpolizeiliche Vorschriften stellt. Der 5 3«1 Satz 6 des Neichsstrafgesetz- bnches bedroht nun zwar uur eine Weibsperson, welche gewerbsmäßige Unzucht treibt, mit Strafe, es ist aber nach Z 48 des Strafgesetzbuches durchaus zulässig, denjenigen Mann, welcher eine Frauensperson zur Hingabe durch Angebot oder Jn- anssichtstellen vou Geld und Geschenken verleitet, als Anstifter mit der Dirne