Lamoens.
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Camoens ließ sich auf ein Knie nieder und sah zu dem König empor, dessen Auge fester und länger nuf ihn geheftet blieb, als es Dom Sebastians Gewohnheit war. Der Dichter bot dem Könige in beiden Händen den Band mit der Handschrift seines Gedichts. Graf Vimioso, der Großkämmerer, der neben dem König stand, war schon im Begriff, auf den erste» Wink desselben das Buch in Empfang zu nehmen. Sebastian verhinderte indes die Überreichung, indem er Camoens aufzustehen befahl, und sagte:
Ich heiße auch dich an meinein Hofe willkommen, Lnis Camoens, und verleihe dir das Recht, jederzeit an demselben zn erscheinen! Dein Gedicht nehme ich mit Dank entgegen, aber ich will den ersten Laut davon aus deinem eignen Munde hören, und zwar noch diesen Abend. Ich hoffe, daß dein Weit dein Rufe entspricht, der ihm vorangeht, nnd daß deine Mnse die des Glaubens ist!
Camoens gab ohne Zögern zur Antwort: Meine Mnse ist die Vergangenheit Portugals, Herr! Eure Majestät weiß, daß in ihr kein Blatt ist, ans dem nicht Thaten zur Erhöhung des Kreuzes verzeichnet stehen. Mir Hütte es so wenig geziemt, etwas hinzuzufügeu, als hinwegzunehmen, ich wollte und durfte nur der Herold der Wahrheit fein, die Ruhm genug ist.
Du sprichst, wie es dir als Dichter wohl ziemt! schloß der König die Unterredung. Wenn ich dein Gedicht kenne, will ich auch voll deiner Teilnahme an den kriegerischen Zügen in Indien erfahren. Du kommst eben zur rechten Zeit heim, das Fetter neu anzufachen, das ehedem in jeder portugiesische!? Brust geglüht hat und wieder glühen soll.
Dom Sebastian schritt, begleitet von denen, die mit ihm in den Saal eingetreten waren, jetzt durch die Reihe der Kavaliere und Damen, nnd richtete an eine Anzahl derselben kurze Worte. Seine Unterredung mit Camoens, die laute Betonung seiner Gunst nnd des Wunsches, noch heute einen Teil des Gedichtes zu vernehmen, hatte die Blicke der ganzen Versammlung ans den seither unbekannten neben Senhor Manuel Barreto gelenkt. Der Dichter sah sich von vielen begrüßt, an deren Thüren er in den letzten Monaten und Wochen vergeblich gepocht hatte, er hörte, wie in den Gesprächen, die den Saal dnrch- schwirrten, überall sein Name genannt ward. Sein Herz schlug höher nnd mit dem Ausdrucke stummen Dankes wandte er sich zu Barreto, welcher ihm in dem Gedränge der Begrüßenden nnd Beglückwünschenden trenlich zur Seite blieb. Ein Lächeln gutmütigen Spottes über die plötzliche Teilnahme nu dem Dichter und seinem noch unbekannten Werke, das aus Barretvs Zügen sichtbar ward, nahm Camoens in dem Glückgefühl dieser Stunde nmsoweniger wahr, als der ältere Freund ihn trotz dieses Lächelns mit großer Sorgfalt durch die Gesellschaft hindurch leitete. (Fortsetzung folgt.)