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Berlin, wie es wächst und verschlingt.
weiter nördlich Weißensee lagen sehr, sehr im Hintergrunde. Nach Nvrden endlich bildete eine Linie die Grenze, welche von dem alten Moabiter Zellengefängnis aus an dem Endpunkte der Friedrichstraße vorüber ziemlich gleichmäßig in westöstlicher Richtung verlief. Darüber hinaus begann sich allerdings auf dem Gebiete des alten „Wedding" und des früher sogenannten Vogtlandes ein zusammenhängendes Straßennetz zu entwickeln, aber von einer Anerkennung desselben als gleichberechtigten Stadtteils war man doch noch sehr weit entfernt, und weite, wüste Strecken — von denen ein Teil später als „Humboldtshain" angelegt wurde — dehnten sich dazwischen aus. Dcmu kam ein wenig bewohntes Gebiet, jenseits dessen der Gesundbrunnen, das freundliche Städtchen Pcmkow und audre Ortschaften lagen; daß anch dies noch dem lebenden Geschlechte als werdender Stadtteil erscheinen sollte, würde sicherlich noch vor zwanzig Jahren als eine ganz tolle Phantasie betrachtet worden sein. Suchen wir nun zu einem Resultate darüber zu kommen, wo überhaupt Raum zu baulicher Entwicklung vorhanden war. Im Nordeu war dies im ausgedehutesteu, unbeschränktesten Maße der Fall; stand doch das ganze ungeheure Gebiet von der Juugfernhaide bis Heinersdorf, mehr als eine Meile breit, zur Verfügung, soweit nicht die vergleichsweise unbedeutenden vorgenannten Ortschaften, sowie die schon bebauten Teile des Weddings dasselbe vorweggenommen hatten. Im Osten war gleichfalls eine fast beliebige Entwicklung möglich, zumal im Nordosten; weiter südlich stand der Friedrichshain im Wege und östlich davon war für verschiedne Zwecke schon sehr viel Terrain vergriffen, wie denn inzwischen in dieser Gegend der kolossale nene Viehhof angelegt worden ist. Im Südosten, die Spree aufwärts, war wenig Raum, da die Stadt das meiste auf dem linken Spreeufer verfügbare Terrain zu deu seitdem hergestellten herrlichen Parkanlagen in Anspruch nahm und links Rummelsburg, Stralau uud der Rummelsburger See nicht viel übrig ließen; aber unmittelbar anstoßend, gegen die Hasenhaide und weiterhin gegen Nixdorf hin, gab es geeigneten Boden in großer Menge, ebenso im eigentlichen Süden, zwischen dem Landwehrkanal und dem Tempelhofer Felde. Im Westen wieder stand der Tiergarten ini Wege; doch blieb nördlich und südlich davon ein ziemlicher Spielraum. Nördlich, jenseits der Spree, lag Moabit, der Stadt zunächst Alt-, mehr nach Westen gegen Charlottenburg zu Neu- Moabit; da war die Entwickluugsfähigleit auch so gut wie unbegrenzt, da sie gewissermaßen nur an der nördlich anstoßenden Jungfernhaide eine Schranke fand. Südlich, d. h. also südwestlich, schloß sich au Berlin das reiche, stattliche Dorf Schöneberg, weiterhin kam Steglitz, dann Lichtcrfelde, hieran nördlich anstoßend gab es da noch die Ortschaften Wilmersdors und Schmargendorf; damit war der Nanm zwischen dem Tiergarten, dem Gruncwald und der Potsdamer Bahn ausgefüllt. An das schwer zugängliche Terrain jenseits der Potsdamer Bahn, gegen die Ortschaften Lankivitz, Mariendorf nnd Tempclhof zu, dachte damals noch kein Mensch.