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Literatur.
ganzen wie im einzelnen, in der Charakteristik der Figuren, in der Linienführung, in der Abwägung der Größeuverhältuisse Vorzüge echt künstlerischer Art, Die Fignr Luthers, in der Schlichtheit und Festigkeit ihrer ganzen Erscheinung wirksam kon- trastirend mit der energischen Bewegung Huttens nnd der sinnenden Haltung Melanchthons, die beide/ iu der Hauptansicht des Ganzen eine änßcrst charakteristische Prvfilirung zeigen, vvru die beiden kraftvollen, den Eingang gleichsam bewachenden Vertreter früherer Geschichtsepochen — diese Figuren bilden zusammen ein Ganzes von ebenso ernster, wie imposanter, echt monumentaler Wirkung,
Neben den beiden genannten Entwürfen sind noch drei andre, einer mit dem dritten Preis, zwei mit Houornrprämien, ausgezeichnet worden. Hinsichtlich der Frage der Ausführung ist, soviel wir wissen, noch nichts entschieden; hoffentlich werden, bevor dies geschieht, die in Betracht kommenden Entwürfe einer erneuten Erwägung unterzogen. Die Errichtung eines Lutherdenkmals in Berlin, der Hauptstadt der protestantischen Welt, ist eine Aufgabe von so großer und eminenter Bedeutung, daß ein Fehlgriff in der Ausführung derselben schwer beklagt werden müßte,
Leipzig, L,
Literatur.
Essays vmi Wilhelm Wundt, Leipzig, Wilh, Engelmann, 188S,
Ein neues Buch in populärer Form von dem rühmlich bekannten Gelehrten, der wie kein andrer Inhaber eines philosophischen Lehrstuhles in Deutschland naturwissenschaftliche Bilduug mit philosophischer Liternturkeunluis vereinigt, wird immer das Interesse vieler Gebildeten unsrer Nation erregen. Man erwartet mit Recht, die interessantesten Themata iu der meisterhaftesten Form bearbeitet zu finden. Und gewiß muß man der vorliegenden Sammlung von vierzehn einzelnen uud doch dem Sinne nach zusammenhängenden Aufsätzen zugestehen, daß die Themata von der größten Bedeutung uud die Vortragsweise einem gewandten Rednertalente angemessen ist. Am wertvollsten scheint uns der kurze Üeberblick über sämtliche Anschnunngsweisen, durch welche die Physiker uud Chemiker der verschiedensten Zeiten die Theorie der Materie klar zu machen bestrebt gewesen sind. In diesem Gebiete ist der Verfasser offenbar am meisten Herrscher über das Material, und seine Kunst, schwierige Probleme anschaulich darzustellen, bewährt sich hier am meisten. Er lebt der bestimmten Hoffnung, daß sich bald eine genügende Theorie der Materie ausbilden werde, welche nicht nur Chemiker uud Physiker, sondern auch die Philosophen befriedigen müsse. Die Philosophie selbst hält er für ganz außer staube, für die Erfahrungsuüsseuschafteu leitend nnd führend aufzutreten; sie hat sich vielmehr der Erfahrung unterzuordnen und anzupassen. So hält er denn natürlich nicht viel von Kant, von, dem er sagt, daß sich in ihm die entgegengesetzten geistigen Strömungen vereinigten, „um jenes merkwürdige Mischprodnkt grübelnden Tiefsinnes nnd zweifelnder Vorsicht zn stände zu bringen, über dessen Widersprüche sich noch heute uusre Kant-Interpreten die Köpfe zerbrechen." Von einer Richtung iu unsrer Zeit also, welche diese Widersprüche alle aufgelöst hat und die Theorie der Erfahrung aus der kritischen Philosophie allein zu vollenden bestrebt ist, weiß der Verfasser nichts oder Null es nicht wissen. Dennoch müssen wir anerkennen, daß er in dem Verständnisse Kants in Bezug auf Zeit und Rcmm