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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben : 12. Seeschlange Nummer zwei.
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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. I81

dienst Möglich in Schnaps anlegte, von der Armcuverwaltung in Rippschütz auch noch eine Armenuntersttttzung bezog. Das war ja eine förmliche Prämie, die man dem Laster der Trunkenheit zahlte, während man die wirklichen Dvrfarmen fast verhungern ließ. Aber es war bei dcu Herren Bauern absolut nichts durchzusetzen, nicht eiumal dies, daß sie ihre Gründe angaben. Da verunglückte Andreas Schwamm im Trnnke und durch eigne Verschuldung, und da letztere nachgewiesen wurde, so brauchte die Schachtverwaltung uach dem damals noch geltenden Unfallgesetze nichts zn zahlen. Znr allgemeinen Ucberraschnng kam nnn hierbei zu Tage, daß Andreas Schwamm einen Sohn Gustav, von dem weder die Polizei noch der Lokal-Schul- inspektvr etwas wußten, bei sich hatte.

Sehen Sie, Herr Pastor, meinte der Herr Ortsschulze, wenn wir dein Schwamm nicht Armenunterstützung gewährt hätten, so wäre er hier heimnts- bcrechtigt geworden, uud wir hätten den Juugen auf dem Halse."

Aber ich bitte Sie, was soll denn aus dem Knaben werden?"

Die Grahnaschen tonnen ihn ja wieder holen lassen."

Nein, lieber Freund, das geht nicht. Sehen Sie, dieser Gnstav Schwamm das ist gerade der Nächste, von dem der Herr im Evangelium spricht. Jawohl, Herr Schulze, er ist Ihr Nächster; wollen Sie, wie der Levit, vorübergehen und sprechen: Was geht es mich an, die Grahnaschen könueu ihu ja wiederhole:! lassen?"

Diese Exemplifiziruug machte zwar auf deu Schulzen keinen tiefen Eindruck, weil für ihn die Snmme des Gesetzes und der Propheten doch am Ende nur in dem Worte enthalten war:Du sollst nichts bezahle«, was du nicht zahlen mußt." Indessen konnte man ja auch dem Herrn Pastor zu Liebe deu Gustav ius Armen­haus bringen, den Nachtwächter zum Vormund bestellen, und sich alle Auslagen bei Gelegenheit von den Grahnaschen wieder erstatten lassen. So geschah es.

Was das Armenhaus auf dem Lande bedeutet, weiß der zu würdigen, der sich die Sache einmal in der Nähe angeschen hat. Offenbar war es ein Racheakt des Schwamm gewesen, als er versucht hatte, die Bude nuzubrenueu. Als wenu er gewußt hätte, daß mau ihm wegen seiner Jugend nichts anhaben könne, blieb er ganz ruhig iu Rippschütz, bis er erfuhr, daß er iu Zwangserziehung genommen werden sollte. Sofort verduftete er spurlos, nachdem er die Wnrstkcuumer der Frau Pastorin einer unliebsamen Inspektion unterzogen hatte.

Pastor Selnccker, in seiner Amtsführung einschneidiger" Herr, wohl bewandert im Strafgesetzbuche wie in der Synodalordnung, dazu von seiner Ncktoratszeit her ein tüchtiger Schulmann, hatte keineswegs die Absicht, sich seinen Gustav entgehen zu lassen; er würde aber doch seine Spur schwerlich wiedergefunden haben, wenn nicht, wie das nächste Blatt unsers Aktenstückes ausweist, eine an den Waisenrat zu Rippschütz gerichtete Anfrage des Amtsgerichtes zu Kranthain in Sachsen, ob der Gustav Schwamm, seiner Angabe entsprechend aus Rippschütz gebürtig, wirk­lich durch Mißhaudlungen seines Pflegers, des Nachtwächters Sachtemann, ge­zwungen worden sei, zu fliehen, uud ob mau Kenntnis von den Verwaudtschafts- verhältnisscn des Schwamm und seiner Familie habe, eingelaufen wäre. Die Witwe Ncumann behaupte, die Großmutter des Schwamm zu sein.

Umgehend erfolgt im Namen des Nachtwächters Sachtemann die Antwort des Pastors Seluecker, iu welcher der pp. Schwamm wegen seiner lügnerischen Be­hauptungen sowohl im allgemeinen als auch im besondern wegen seiner an der Wurstkammer der Frau Pastorin begangenen Unthat in das rechte Licht gestellt und unter Beifügung des von der Amtsanwaltschaft zu Grahna übersandten Akten-