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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben : 12. Seeschlange Nummer zwei.
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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

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Kastellan veranlaßte, den Knaben in Ziehe zu nehmen, und den etatmäßigen sechzehn Thalern Ziehgeld noch ein Paar Thaler ans eigner Tasche zulegte.

Das Arrangement gelang ganz vortrefflich; unser Gnstav Schwamm erlangte allmählich menschliches Aussehen uud entwickelte sich zu einem hübschen krausköpfigen und blauäugigen Knaben, an dein jeder seine Freude haben mußte. Selbst der gestrenge Herr Rektor konnte uicht umhin, seine Billigung unter wiederholtem Klopfen auf die Schnupftabaksdose zu erkennen zu geben. Unser guter Herr Ober­pfarrer liebt es, mit den stärksten Ausdrücken von dem Pfuhle sittlicher Verkommenheit zu predigen, in den die Stadt versuuken fei. Mich will es bedünken, daß Praktischer als Schelten Bessern und zwingender als Worte die Dinge seien. Um Erfolg zu haben, müssen vor allem die Verhältnisse geändert werden. Hierin geht das Zwangserziehungsgesetz von ganz richtigem Gesichtspunkte aus, uur würde ich deu Zusatzparagraphen empfehlen, daß auch Eltern in Zwangserziehung genommen werden können. Unser Gnstnv Schwamm, in guten Boden verpflanzt, entwickelte sich von selbst zn einem ganz andern Menschen, aber freilich, dieser andre Mensch bedürfte doppelter Behütnng.

Eines Tages wnrde ein betrunkener Landstreicher arretirt, vieruudzwcmzig Stunden eingesperrt und entlassen. Kurz darauf erschien er ebenso bctrnnken wie Tags zuvor auf dem Polizeibüreau, stellte sich als der Schachtnrbeiter Audreas Schwamm vor und reklamirte seinen Sohn Gustav, indem er einen Pack schmutziger Papiere vorlegte. Man machte kurzen Prozeß und beförderte ihn in Anbetracht seiner Trunkenheit einfach vor die Thür. Hier traf er uuglückseligerweise nnt seinem Sohne Gustav zusammen, erkannte den Knaben, grinste vor Vergnügen nnd sagte durch die Schnapsflasche blinzelnd:Tuttav kumm! Kumm Tuttävcheu!"

Der Knabe sah den Mann verwundert an, erinnerte sich des alten Kosenamens ..Tnttav," ging mit und ward die nächsten Tage nicht mehr gesehen. Zuletzt fand ihn ein Polizist im Husarenheustalle und brachte ihn zu seinem Pfleger zurück, wo er leider mit zu harter Züchtigung empfangen wurde.

Inzwischen war Schwamm, betrunkener denn je, jedoch mit seinem Militärpasse ausgerüstet, dem Herrn Assessor ins Bürean eingedrungen.

Was wollen Sie?"

Herr Akzessor, Sie werden entschuldigen, aber ich wollte gütigst mein Fleisch "ud Blut reklamiren, wo ich natürlich der Schachtarbeiter Andreas Schwamm bin, was Sie aus meinem Militärpasfe absolviren können, worum ich mich über den Herru Polizei-Kvmmissa.r gehorsamst beschweren muß."

Was wollen Sie denn?"

Meinen Gnstav, was der Sohn von meiner Fran und mein Fleisch nnd Blut ist, indem daß ich ihn natürlich selber ernähren kann und keinen Magistrat überhaupt nicht brauche."

Also Sie sind der Vater von dem Gustav Schwamm? Uud Sie Wolleu den Knaben mitnehmen?"

Ja wohl will ich das, und wenn Sie mir meinen Gustav uicht rausgeben, dann dann"

Wenn Sie nicht augenblicklich machen, daß sie aus der Stadt kommen, so lasse ich sie arretiren und ins Korrektionshaus sperren, Sie Lump Sie."

Das war nun höchst illegal von dem Herrn Assessor gehandelt, da er doch wissen mnßte, daß dem Vater die väterlichen Rechte nicht aberkannt waren, daß also der Sohn ihm auf alle Fälle übergeben werden mußte. Aber soweit war er von seinem Palladium der bürgerlichen Freiheit bereits abgekommen.