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Die Schöffengerichte.
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368 Die Schöffengerichte,

haben, weiß jeder, der Gelegenheit gehabt hat, an einem kleinen Orte zu leben. Die Preß- und politischen Prozesse wurden (unter Schonung des in Baiern bestehenden Zustandes) nicht den Schwurgerichten überwiesen, um diese Prozesse nicht zu einem Spielballe politischer Parteien und Leidenschaften zu mache», aber deu Einfluß lokaler Parteiverhältnisse auf die zu errichtenden Kollcgial- gerichte erster Instanz scheute man nicht.

Daß schon die Dienstführung der Vormünder, welche ebenfalls als Beamte fungiren, ohne als solche erzogen zu sein, viel zu wünschen und der Vormund sich durch die verschiedensten Einflüsse zu Handlungen bestimmen läßt, welche nicht immer im Interesse der Mündel liegen, ist ausreichend bekannt.

Weit mehr noch als zur Ausübung der Zivilrechtspflege sind zur Pflege des Strafrechts praktische Erfahrungen nicht allein wünschenswert, sondern notwendig, da, abgesehen von der thatsächlichen und rechtlichen Beurteilung eines Falles, die Grenzen, in welchen sich das Strafmaß bewegt, sehr weit sind; bei Dicbstahl und Betrug beispielsweise bewegt sich die festzusetzende Gefängnisstrafe zwischen einem Tage und fünf Jahren. Der Richter hat bereits während seiner Ausbildungszeit den leichten vom schweren Fall zu unterscheiden gelernt, er kennt ungefähr das für jeden Fall passende Strafmaß; der Schöffe ohue Praxis steht dagegen ratlos da, er weiß nicht, ob er sich der obern oder untern Grenze des Strafmaßes uähern soll. Es ist ja allerdings Sache des Vorsitzenden Nichters, dem Schöffen anch bei Abmessung der Strafe die notwendige An­leitung zu geben, aber derselbe wird immer finden, wie schwer es in schwierigeren Fällen dem Schöffen wird, sich für ein Strafmaß zu entscheiden. Wie oft kommen ihm Schöffen vor, welche absolut nicht über das Strafminimum hinaus­gehen wollen, während andre, durchdrungen von der Wichtigkeit ihres Amtes, sich zu sehr dem Strafmaximmn zu nähern geneigt sind. Hier soll es allerdings Aufgabe des Vorsitzenden sein, zu vermitteln. Welcher Angeklagte wollte aber wohl nicht lieber von erfahrenen Richtern seine Strafe zudiktirt bekommen, als das Maß derselben von dem Zufalle abhängig inachen, ob es dem Vorsitzenden gelingen wird, die Anschauung der Beisitzer in richtige Bahnen zu lenken?

Die Verteidiger des Schöffengerichts, denen es an praktischen Erfahrungen fehlt, denken sich die Stellung des Vorsitzenden beim Schöffengerichte überhaupt viel leichter, als sie ist. Ihm selbst wäre oft genug in schwierigen Fällen der Rat eines Kollegen erwünscht, nnd jetzt muß er noch seiue Beisitzer, denen oft jedes Verständnis für die Sache fehlt, belehre». Während dem Vorsitzenden eines Richtcrkollcgiums die Beratung eine Erholung ist, bildet sie für den Vor­sitzenden des Schöffengerichts meist den anstrengendsten Teil seiner Thätigkeit. Er kann und will auch uicht seiue Ansicht für die allein richtige halten, und doch soll er die Anschauung der Beisitzer mit der seinigen möglichst in Einklang bringen, er soll, wie Freunde des Schöffengerichts sich auszudrücken belieben, die Schöffenbearbeiten," jedes widersinnige Urteil soll dem Vorsitzenden