Notiz.
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Arbeit nicht denken. Edith befand sich in einem hoffnungslosen Zustande. Die Meinung des Arztes, daß es gelingen würde, sie über die Frühliugsweude zu erhalten, sie dann in bessere Lust und vielleicht später in ein milderes Klima zu bringen, hatte sich nicht verwirklicht. Er durfte es dem Bruder nicht länger verhehlen, daß die Auflösung des Mädchens nur eine Frage von wenigen Tagen war. Auf diesen Ausgang war Harald nicht gefaßt, und nur mühsam wußte er vor der Sterbenden seinen großen Schmerz zu verbergen. Schwer hatte er in den letzten Jahren ringen und seine Kunst verleugnen müssen, um seiner Familie und namentlich dieser Schwester ein sorgenloses Leben nnd später eine sichere Zukuuft zu bereiten. Um ihretwillen hatte er die schlimmste aller Entbehrungen auf sich genommen, er hatte wie Moses das gelobte Land nur schäum, aber nicht betreten dürfen, er hatte die heilige Kunst zum Handwerk erniedrigt, auf die Befriedigung seines Herzens, auf die Erfüllung seiner Hoffnungen Jahre lang Verzicht geleistet und gezweifelt, je an sein Ziel gelangen zu können. Jetzt, da das Schlimmste überstanden war, sollte der unerbittliche Tod ihm einen Schatz der Liebe entreißen, dessen überreiche Fülle ihn öfter, als er es sich gestehe» mochte, mit neuem Mut erfüllt hatte. Harald wich keinen Augenblick von dem Krankenlager, und so genoß er wenigstens die schmerzliche Frende, noch die letzten Stunden der sterbenden Schwester trostreicher und beseligender für sie zu machen. (Fortsetzung folgt.)
Notiz.
Zwei würtembergische Staatsmänner aus alter Zeit. Es ist zwar nur ein äußerer Zufall, der fast gleichzeitig die Lebensbeschreibungen zweier würtem- bergischeu Staatsmänner aus früherer Zeit in unsre Hände gespielt hat, und welch bedeutender Unterschied auch zwischen dem „Vater des deutschen Staatsrechts" Johann ^akob Moser") und dem Finanzminister des Königs Wilhelm, dem durchaus praktischen Karl Eberhard Friedrich Freiherrn von Vnrnbüler**) besteht — es giebt in dem Leben beider in ihrer Zeit und ihrer Art hervorragenden Männer so viele Berührungspunkte, daß die kurze Anzeige der über ihr Leben jüngst erschienenen Schriften von einem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte erfolgen kann.
Die Querköpfigkeit, die namentlich von unsern westlichen Nachbarn uns Deutschen nachgesagt wird, soll sich vorzugsweise auf den schwäbischen Volksstamm beziehen,
i-^ *) Johann Jakob Moser, dargestellt von vr. Oskar Wächter. Stuttgart, Cotta, 188K. 277 S,
**) Freiherr Karl Eberhard Friedrich Varnbnlcr von und zu Hemmingen. Ein Beitrag zur Geschichte semer Zeit von Dr. Albert Eugen Adam. Stuttgart, Metzler, 1L8S, 99 S.