Auf dem Stilfser Joch.
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Männern und Fronen war es ihm doch nicht zweifelhaft, daß die Huldigung mehr der Schönheit Vronis als ihrer künstlerischen Begabung galt. Denn gerade auf der Bühne ist die Schönheit eine besondre und gefährliche Macht, sie macht den Zuschauer nicht selten irre, und sein Irrtum wird der Künstlerin zur Täuschung, Harald hütete sich jedoch, seine Meinung der vor Glück strahlenden Vrvni zu offenbaren, wiewohl er entschlossen war, wenn der Rausch verslogen märe, seine Ansicht dem Mädcheu nicht zu verbergen. Fühlte er sich auch während des ganzen Tages nicht glücklich, so war er doch auch uicht verstimmt; erst beim Festmahl sollte es für ihn an einem schrillen Mißton nicht fehlen. Vroni selbst erhob sich nach den, Trinkspruche des Landrats und erwiederte denselben in wohlgesetzter Rede, indem sie dem Komitee den Dank der Unterstützten und der Künstler darbrachte. Diese nugewöhnliche That eines jungen Mädchens brachte die Gesellschaft fast anßer sich, die Feststimmnng geriet in Gefahr, in einen wilden Taumel auszuarten, und nur mit Zittern harrte Harald aus, in der Besorgnis, daß noch einen Schritt weiter eine Verletzung dessen bevorstand, was in dem gesellschaftlichen Umgange die Wohlanstäudigkeit bei einem Fest mit Damen unbedingt fordern muß.
Wenn Harald, als er am andern Morgen in Berlin eintraf — er hatte noch mit der Mehrzahl der Besucher die Kreisstadt um zwei Uhr nachts verlassen müssen — sich in einer wenig frohen Laune befand, so hatte die Aufregung des vorangegangneu Tages und die durchschwürmte Nacht gewiß die geringste Schuld. Er fürchtete, daß sein ganzer Einfluß, den er seit Monaten auf Vroni geübt uud errungen zu haben glaubte, durch die Ereignisse eines einzigen Abends wieder verloren gegangen sei, und dieser Schlag betäubte ihn so sehr, daß er nicht mehr die Zuversicht zu sich empfand, in neuem Kampfe sein begonnenes Werk fortzusetzen.
Wie im Altertum der Herold den Ruhm der Könige verkündete, so in unsrer Zeit die Presse das Lob der Volker, Der Landrat, auf welchen als Leiter des Ganzen ein sehr Heller Abglanz fiel, hatte dafür gesorgt, daß in sämtlichen Himmelsrichtungen der Preis des Festes gesungen wnrdc. Das Kreisblatt, welches sich der eigensten Leitung des hohen Kreischefs erfreute, gab ciu Extrablatt heraus, welches eine genaue Beschreibung der Festvorstellung enthielt und die bei dem Festmahl gcsprochnen gebnndnen und nngcbnndnen Reden durch eine wörtliche Wiedergabe der Sterblichkeit entriß uud ihnen ewigen Ruhm sicherte. Diesem großen Posauueusignale folgten die Zeitungen der Provinz nnd die Blätter der Residenz wie ei» Echo, und bald war nach dem Berliner Börsen-Theater-Moniteur auch für den stärksten Zweifler kein Bedenken mehr, daß Vrvui Keller nicht nur eine Schönheit, sondern auch ein Talent ersten Ranges sei, das „die Verpflichtung habe, sein ihm von Gott gegebenes Licht zum Heile der ganzen kunstbegeisterten Menschheit leuchten zu lassen." Der Landrat, dessen Huldigungen für Vroni immer deutlicher wurden, Grcnzbotcn IV. 1335. 4K