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Das Malerische in der Plastik.
borgt, sind ihr alle diejenigen Motive verschlossen, bei welchen der ästhetische Reiz in der durch Reflex und Transparenz bedingten eigenartigen Lichtwirkung besteht. Hierher gehört z. B. der malerische Kontrast in der Wirkung der Oberflächentextur der verschiednen Stoffe auf das Auge: das Schimmern des Goldes, das Blitzen der Juwelen, der spezifische Glanzeffekt der verschiedenartigen Gewandstvffe, desgleichen der nackten Haut, das Licht des Augensternes, der Schmelz der Blume u. s. w., vor allem aber die Gesamtheit der atmosphärischen Wirkungen des Lichtes: das wechselvoll c Spiel zwischen Licht und Luft, zwischen Licht und Wasfer, die Luftperspektive der Landschaften, das V1g,ir-0dsour bei Jimenräumen, allgemein: das ftimmunggebcnde Element der Szenerie."*)
Ist diese Grenzbeftimmnng in jeder Beziehung ganz zutreffend? Ist mit den Mitteln der Plastik, und ohne denselben Gewalt anzuthun, keiner jener „ästhetischen Reize," wenn anch nur andeutungsweise, wiederzugeben? Die Plastik vermag ja doch die Wirkungen des Lichtes, obschon sie dasselbe von außen entlehnt, bis zn einem gewissen Grade zu bestimmen. Im Gegensatz zu jener Behauptung Leonardos, daß der Bildhauer bezüglich des Lichtes vou der Natur völlig abhängig sei und sich von ihr müsse helfen lassen, kann man sagen, daß es bis zu einem gewissen Grade in der Gewalt des Bildhauers liege, durch den Charakter der Formgebung, dnrch größere oder geringere Vertiefung, Nundung oder Schärfung der Form und auch durch die Art, wie er die Oberfläche des plastischen Materials bearbeitet, das auffallende Licht zu bestimmten Wirkungen zu nötigen. Bekanntlich ist der Marmor dasjenige Material, dessen natürliche Beschaffenheit eine derartige Behandlung der Oberfläche am meisten begünstigt. An ihm lassen sich durch ein mannichfach nücmcirtes Glätten und Rauhmachen der Oberfläche^ verschiedenartige Lichtrcflcxe bewirken, ähnlich denen, durch welche sich dem Auge die verschiedenartige Oberflächentextur der nachzubildenden Stoffe zu empfinden giebt. Den Eindruck der lebendig und weich schimmernden Textnr der Haut kann eine solche Behandlung der Marmoroberfläche, natürlich im Zusammenhange mit einer entsprechend charakteristischen Behandlung der Form, ebenso wirksam hervorrufen, wie den Eindruck der stofflichen Eigentümlichkeit verschiedenartiger Gewänder, bei denen zugleich mit dem Oberflächencharakter, und gleichfalls mit Rücksicht auf gewisse Lichtesfekte, besonders die Art der Falten- bilduug in Betracht kommt, und mit Recht ist an ansgezeichneten Marmorwerken der griechischen Kuust die meisterhafte Feinheit einer solchen Behandlung, die kunstvolle Kontrastirung iu der Behandlung des Nackten und der Gewänder besonders
*) Vortrefflich ist, was in der Hcmckschen Abhandlung im Anschluß an die obigen Sätze gegen die Ansicht .bemerkt wird, daß die Darstellung alles Bewegten und Schwebenden, weil wesentlich malerisch, der Natur der Plastik prinzipiell zuwider sei. In dieser Ansicht ist aus einer einseitigen Beobachtung ein allgemeines Prinzip abstrahirt. Ich beschränke mich darauf, auf die treffenden (iu den Prcuß. Jahrb. durch einen Zusatz erweiterten) Bemerkungen Haucks hier nur hinzuweisen.