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Das Malerische in der Plastik.
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Das Malerische in der Plastik.

die sich an die zwei Friese des pergamenischen Alterbaues knüpfen, haben es zum Bewußtsein gebracht, daß bezüglich der Definition des Begriffes des Malerischen im Relief noch eine Lücke vorhanden ist, daß es noch nicht unter­nommen worden ist, für die Malerei und die ihr verwandte Reliefskulptur die Grenzen fo scharf zu ziehen, wie es für die Dichtkunst und die bildende Kunst durch Lessing geschehen ist."

Die Bestimmung der fraglichen Grenzen kann offenbar aus nichts cmderm hergeleitet werden, als aus der Natur der künstlerischen Darstellungsmittel. Eine Überschreitung der Grenzen, also eine künstlerische Verirrung wird man überall da konstatiren können, wo in diesen Künsten etwas gewollt wird, wozu die Darstcllungsmittel ihrer Natur nach nicht geeignet sind, was den künstle­rischen Forderungen, die sich aus derselben ergeben, nicht entspricht. Doch wird man sich hüten müssen, an Stelle dieser thatsächlich gegebenen Forderuugeu abstrakte Regelu zu setzen.

Die Grundgedanken der Hauckschen Abhandlung, so sehr sie vielleicht im ersten Augenblicke befremden, sind schwerlich anfechtbar. Sie lasten sich in folgender Weise zusammenfassen. Die Farbe ist nicht, wie man anzunehmen gewöhnt ist, das charakteristische Merkzeichen der Malerei, ebenso wenig ist sie dem Wesen der Plastik widersprechend; das Dogma, in welchem das letztere behauptet wurde, ist erwiesenermaßen historisch betrachtet aus einem archäologischen Irrtum, aus der jetzt völlig beseitigten Annahme von der Farblosigkeit der antiken Skulptur entsprungen. Der Eindruck natürlicher, körperlicher Formen, der in den Werken beider Kunstarten wiedergegeben werden soll, wird wesentlich durch Erzeugung von Licht- uud Schatteuwirkung erreicht, da die körperliche Form dem Auge überhaupt erst durch Licht und Schatten zur Wahrnehmung gelangt. Die Farbe an sich vermag zum Eindruck der Körperlichkeit nichts beizutragen. In der Malerei (in der zur vollen Ausbildung gelangten) wird die Farbe derart behandelt, daß sie Licht- und Schattengebung in sich schließt, sie wird zur Erzeugung des Eindrucks von Licht und Schatten in sich selbst modisizirt, in verschieden gesättigten Tönen abgestuft; bei der Färbung plastischer Formen müssen derartige Modifikationen wegfallen, die Farbe ist hier in gleichmäßigen Tönen (lediglich in den Lokaltönen) zu halten, da die Licht- und Schattenwirkung durch die natürliche Beleuchtung von außen gegeben wird.Die Malerei hat Licht und Schatten in sich selbst, die Plastik entlehnt es von außen."*)

Hochschule zu Berlin am 21. März l88S, gehalten vom d. z. Rektor G, Hauck. Berlin, 1885. Wieder abgedruckt (mit kleinen Änderungen und Zusätzen) in den Preußischen Jahrbüchern. Juli-Heft 1335.

Dieses UiUerscheidungsmomcnt hat bereits Leonardo dc Vinci, woraus in der Hauckschen Abhandlung auch hingewiesen wird, im (Zolls, xitturs. sehr bestimmt

hervorgehoben. Er benutzt dasselbe bei Besprechung jener etwas seltsamen, während der ganzen Renaissancezeit eisrig erörterten Frage nach der Rangstellung von Malerei und