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Notizen.
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Notizen.

Zeugnisses cm, denn dci der Zengc von vornherein erklärt hatte, er werde niemals die verlangte Aussage machen, so war es allein richtig, nicht etwa zuerst die leichtern Zwangsmittel, Geldstrafen in steigender Höhe, zu versuchen, sondern sofort mit dein schärfsten Zwangsmittel zu beginnen. Es lag das schon im Interesse des Zeugeu, der andernfalls eine Reihe von Geldstrafen hätte bezahlen und schließlich bei Fort­setzung seiner Weigerung doch hätte in Haft genommen werden müssen.

Ueber diese dem Gesetz vollständig entsprechende und dabei durchaus sacheut- sprecheude Maßregel ist nun ein großer Teil unsrer Presse ganz außer sich gerate». Es wird dabei ganz vergessen, daß die Presse, ihre Leiter uud Mitarbeiter voll­ständig und nach allen Richtungen unter der Herrschaft des gemeinen materiellen und prozessualcn Strafrechtes stehen, daß mit einem Worte ein Zeituugsredakteur genau dem nämlichen Gesetze nachzuleben hat wie ein gcmz gewöhnlicher Deutscher. Wir haben keine Ausnahmegesetze für die Presse, weder solche, welche die Presse begünstigen, noch solche, welche sie und ihre Vertreter schlechter als andre Staats­bürger stellen. Einzelne formelle Vorschriften erschüttern diesen Grundsatz nicht. Es ist aber uicht mehr als billig, daß die Presse oder ihre Vertreter in Beziehung auf die Rechtsordnung vollständig gleich mit jedem andern Staatsangehörigen be­handelt werden. Wer giebt deun dem Redakteur der X. Zeitung das Recht, sich über seine Mitmenschen beliebig zn äußern, oder wie der Ausdruck im Anschluß an den so vielfach mißbrauchten 8 193 des Strafgesetzbuches lautet,in Währung berechtigter Interessen zu handeln" ? Doch Wohl er selbst oder höchstens ein Ver­lagsbuchhändler oder Buchdruckereibesitzcr, der den Redakteur anstellt und damit und mit der Herausgabe einer Zeitung zum Nutzen seines Geldbeutels anfängt, berechtigte Interessen zu wahren." Es ist höchste Zeit, daß in dieser Beziehung Klarheit geschaffen werde. Das Publikum mnß sich abgewöhnen, zu glauben, daß das, was iu den Zeitungen gegen das Strafgesetz gesündigt wird, gelinder zn be­urteilen sei, als die Handlungen eines sonstigen beliebigen Menschen; es muß endlich erkennen lernen, daß eine Zeituug, sei sie auch noch so beliebt nnd deshalb viel gelesen, doch darum den allgemeinen Gesetzen uuterworfcu bleibt. Uud darum ist auch die Verhaftuug des Redakteurs Boshardt vollständig korrekt. Der Herr Re­dakteur, der allein in der Lage ist, dnrch sein Zeugnis den im Disziplinarverfahren beschuldigten zu überführen, verweigert das Zeugnis. Er beruft sich auf seine moralische Pflicht, als ob jemaud, der sich selbst zum Redakteur erneunt oder von eiuem Zeitungsbesitzcr dazu erncnmt wird, durch diese Thatsache das Recht bekäme, sich über allgemein und ausnahmslos giltige Staatsgesetze hinwegzusetzen! Wenn der Herr Redakteur die Bevbachtuug des Stillschweigens für seine moralische Pflicht hält, so mag er das thun, allem er darf es dann auch dem Richter nicht verübeln, wenn dieser seine höchste Pflicht das Gesetz zur Geltung zu bringen eben­falls uicht verabsänmt uud deu das Zeugnis verweigernden einsteckt.

Wir haben gesagt, daß zwischen dem Prozeß Gräf und dein Verfahren gegen den Redakteur Boshardt einige Aehnlichkeit bestehe. Es mag das uoch kurz er­läutert werde». In beiden Sachen ist die Presse über die beteiligten staatlichen Organe, mögen sie Namen habe», welche sie wolle», hergefalle». I» beiden wurde die Gesetzlichkeit des Verfahrens nicht weiter geprüft, sondern einfach Ach uud Weh über Deutschlands Rcchtszustäude geschrieen, und dabei ganz besonders hervorgehoben, mit welcher Leichtfertigkeit deutsche Behörden iu solcheu Sachen vorgingen. Wir glauben gezeigt zu haben, daß in der Münchener Angelegenheit der Richter voll­ständig dem Gesetze entsprechend und sachlich richtig gehandelt hat, daß von Leicht­fertigkeit keiue Rede sein kann. Ob das Letztere alle die so entriiflcteu Zeitungen,