94 Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ;c.
Nichtig ist es ja, daß jetzt bei den Eidesleistungen unverhältnismäßig viel Zeit verloren geht; es würde sich dies aber vielleicht in andrer Weise unter gleichzeitiger Verminderung der Eide überhaupt beseitigen lassen, wie ja auch der Z 56». des Entwurfes gestatten will, von der Vereidigung eines Zeugen abzusehen, dessen Aussage sich nach richterlicher Überzeugung offenbar als unglaubwürdig darstellt, eine Bestimmung, welche sreilich beim Voreide nicht ausführbar ist. Man kann für Beamte, welche auf die Glaubwürdigkeit ihrer Anzeigen verpflichtet sind, oder bei Beamten überhaupt, sofern sie über eine dienstliche Wahrnehmung vernommen werden, die Versicherung auf den Diensteid einführen. Man kann den Parteien das Recht einräumen, auf die Vereidigung des Zeugen mit Zustimmung des Gerichtes zu verzichten, wobei dem öffentlichen Interesse nichts vergeben würde, da ja der Vertreter des öffentlichen Interesses, der Staatsanwalt, am Verzichte teilzunehmen hat, und wobei in sehr vielen Fällen nichts in Frage gestellt würde, da ja namentlich Sachverständige meist am Ausgange eines Strafverfahrens ohne jegliches persönliche Interesse sind. Man könnte auch den Weg wählen, den die kurhessische Strafprozeßordnung vom 28. Oktober 1863 einschlug, welche im amtsgerichtlicheu Strafverfahren die Vereidigung der Auskunftspcrsonen nur auf Verlangen einer der beiden Parteien oder auf Grund des richterlichen Ermessens gestattete, eine Einrichtung, welche allerdings nur bei einer sehr geringen amtsgerichtlichen Zuständigkeit empfehlenswert sein dürfte. Ob und welchen dieser verschiednen Wege man für zweckmäßig halten möchte, darüber läßt sich ja streiten; jedenfalls kommt man auf ihnen weiter als mit der gemeinschaftlichen Vereidigung der Zeugen.
Es bleibt noch übrig, kurz darauf hinzuweisen, daß neben dem Gerichtsstande der begangenen That und des Wohnortes auch der der Ergreifnng eingeführt werden, daß für alle im In- und Auslande begangenen Gesetzesübertretungen in Ermangelung eines besondern Gerichtsstandes das Reichsgericht denselben bestimmen, daß der Zeuge wie früher über keine Thatsachen, die ihm zur Schande gereichen können, Aussage zu machen verpflichtet sein soll, daß der vor Erhebung der öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl nicht, wie jetzt schon, nach einer Woche, sondern erst nach sechs Wochen (bei Übertretungen nach zwei Wochen) aufgehoben werden soll, falls bis dahin öffentliche Klage nicht erhoben ist, daß der Vorsitzende die Leitung der Verhandlungen und Aufnahme der Beweise in einzelnen Sachen ganz oder teilweise soll einem Beisitzer des Gerichtes übertragen können, daß in dein Urteil auch die Gründe angegeben werden sollen, aus welchen die für erwiesen angesehenen Thatsachen als erwiesen angesehen werden, daß bei Einlegung der Berufung nicht mehr wie jetzt einzelne Beschwerdepnnkte sollen angegeben werden können, sondern angegeben werden müssen, und beim Mangel einer solchen Angabe die Berufung nicht wie jetzt das ganze Urteil angreifen, sondern als nicht eingelegt gelten soll, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neuer