99 Die beabsichtigten Änderungen nnd Ergänzungen des Gerichtsvorfassungsgesetzes ic.
sondern in den entsprechenden Strafsachen mir die Amtsrichter zwar unter Zuziehung von Schöffen, aber als Amtsgericht zu erkennen hatten, womit neben sonstigen formellen Jnkonvenicnzen namentlich die Ungereimtheit des § 211 der Strafprozeßordnung wegfiele, nach welchem ein verhafteter und geständiger Angeklagter vom Schöffengericht ohne Zuziehung von Schöffen abgeurteilt wird.
Der zweite Vcrbcsscrnngsvorschlag des Entwurfes bezweckt eine anderwcite Regelung der Gcschäftsbchandlung bei den Kollegialgcrichten. Die Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit, allerdings eine der Hauptstützen der Rechtssicherheit im Staate, ist in unsern Justizgesetzcn derart ans die Spitze getrieben, daß die Justizverwciltnng fast ganz beiseite geschoben ist; namentlich waren zu diesem Zwecke die sogenannten Präsidien der kollegialischen Gerichte (bestehend aus dem Präsidenten, den Direktoren oder Senatspräsidentcn und dem ältesten oder den beiden ältesten Gerichtsmitgliedern) geschaffen und diesen die Befugnis gegeben worden, die Gcrichtsmitglieder auf die einzelnen Kammern oder Senate zu verteilen, eine Einrichtung, welche in keiner einzigen Gesetzgebung ein Vorbild hatte. Die Klagen über die Rechtsprechung der Strafkammern haben nun zu der Wahrnehmung geführt, daß die Zusammensetzung der Strafkammern mangelhaft ist, und der preußische Justizminister sah sich deshalb bereits 1882 uuter allgemeinem Beifall veranlaßt, die Präsidenten der Oberlandesgcrichte darauf aufmerksam zu machen, daß man den Strafkammern vielfach die weniger brauchbaren Elemente zuzuweisen pflege, und daß dem berechtigten Verlangen, einzelne Nichter nicht ausschließlich in Zivil- oder Strafsachen zu beschäftigen, Rechnung zu tragen sei. „Die Präsidien — sagt die Begründung des hier besprochenen Entwurfs — werdcu regelmäßig der Gefahr ausgesetzt sein, persönliche Wünsche, sowie Rücksichten auf ihnen nahestehende Kollegen allzusehr in Rechnung zu ziehen; sie sind selbst auf das lebhafteste dabei intcressirt, als Genosfeu ihrer Arbeit möglichst ihnen sympathische Nichter zu erwählen, und können dies Interesse umso freier verfolgen, als alle Anordnungen unter dem Namen des kollegialischen Präsidiums ergehen. So kann es nicht befremden, wenn die Anordnungen der Präsidien, auch abgesehen von den auf die Bildung der Strafkammern bezüglichen Verfügungen, in vielen Fällen Anlaß zur Beschwerde gegeben haben." Es sollen daher die Präsidien beseitigt und die Bildung der Senate und Kammern der Justizverwaltung übertragen werden, welche auch den Stellvertreter des Kammerpräsidenten zu bestimmen hätten, während jetzt das älteste Kammcrmitglied diese Stellvertretung ausübt, woher es kommt, daß der Vorsitz häufig in die Hände von Nichtern kommt, welche, weil sie sich nicht zum Vorsitzenden eignen, nicht zu Direktoren oder Senatspräsidenten ernannt werden konnten. Es handelt sich also hier um eiue Änderung des Gesetzes, welche nach der Begründung nur als Verbesserung anzusehen ist, der richterlichen Unabhängigkeit iu keiner Weise zu nahe treten, sondern sie im Gegenteil durch Beseitigung unberechtigter Einflüsse erhöhen, gleichzeitig aber für eine