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Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung
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84 Die beabsichtigten Änderungen nnd Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ic.

den einzelneil Kammermitgliedern unterzogen werden können; sorgt man dann daneben für tüchtige Vorsitzende, was ja in der Hand der Justizverwaltung liegt, so wird es am wissenschaftlichen Leben schon nicht fehlen. Auch der Finanzpunkt würde sich vermutlich leichter erledigen, als es den Anschein hat. Eine Hauptcrsparnis muß durch Verminderung der Auslagen für Zeugengebühren geschaffen werden, indem man soviel als möglich detachirte Strafkammern schafft,") nicht nur überall, wo drei Amtsrichter an einem Gerichte beschäftigt sind, sondern auch da, wo zwei Amtsrichter thätig sind und ein dritter von einem Nachbargerichte leicht zugezogen werden kann. Man wird auch vielfach die Landgerichte, vielleicht in Anlehnung an schon bestehende detachirte Straf- und Handelskammern, teilen können, ohne daß jedesmal eine Vermehrung des Richterpersonals eintreten müßte, da erfahrungsmäßig nicht alle Landgerichte übermäßig beschäftigt sind, oder, wo zwei Strafkammern nebeneinander bestehen, es ziemlich gleichgiltig ist, ob dieselben in einer Stadt oder an verschiednen Orten mntiren. Es würden in dieser Hinsicht die Bezirke der früheren preußischen Kreisgerichte und Deputationen maßgebend sein können. Auch eine Teilung der Oberlandesgerichte wäre durchführbar, der Art, daß je eines mindestens auf ein Gebiet von der Größe eines preußischen Regierungsbezirkes käme. Die Kriminal­senate der Oberlandesgerichte sollen jetzt keineswegs an Arbeitslast leiden, und wenn sie anch bei Einführung der Berufung gegen die Urteile der Landgerichte stärker als bisher beschäftigt werden würden, so, würde es auch bei diesen Gerichten nicht nötig sein, daß zwei Senate an ein und demselben Orte Recht sprechen. Ließe sich aber eine Vermehrung der Oberlandesgerichte nicht durch­führen, so könnte man vielleicht eine ähnliche Einrichtung wie die alten hamwverschen großen und kleineu Obergerichte oder Senate schaffen, welche sämtlich erftinftanzlich wie unsre Landgerichte, die großen aber gleichzeitig als zweite Instanz thätig waren. Jrgeudeinen bestimmten Vorschlag zu machen, ist natürlich nur auf Grund vollständigen statistischen Materials möglich, deshalb mögen auch die vorstehenden Ausführungen nicht als positive Vorschläge, sondern nur als hingeworfene Gedanken angesehen werden, welche vielleicht nicht selbst die richtige Lösung der Frage enthalten, wohl aber zu dieser Lösung beitragen können. Da jedenfalls noch viele wichtige Fragen erörtert werden müssen, ehe die thatsächliche Grundlage für die Möglichkeit der Wiedereinführung der Be­rufung geschaffen werden kann, so ist es gewiß nur zu billigen, wenn die Ver­bündeten Negierungen zur Zeit noch von der Wiedereinführung dieses Rechts­mittels absehen. Hoffen wir aber, daß die nötigen Ermittlungen, auf welchem Wege die Berufung wieder eingeführt werden könne, möglichst beschleunigt werden, damit der hierauf gerichtete, man kann Wohl sagen, allseitige Wunsch recht bald in Erfüllung gehe.

Vergl. meine Ausführungen hierüber m den Grenzboten 1834, Bd. I, S. 632 ff.