Wein- und Vbstbcm in Deutschland.
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Wickeln vermag, wenn es sich in Sicherheit und im Aufschwimgc weiß und in Verhältnissen lebt, in denen es nun auch an Verschönerung und Verfeinerung seines Daseins denken kann. Was aber schon bei dem einzelnen Garten- oder Villenbesitzer gilt, das gilt natürlich in noch viel höherem Grade davon, wenn in die unteren Schichten eines Volkes hinein die Gewöhnung an eine solche Kultur und die damit verbundenen Arbeiten, Fähigkeiten und Erfahrungen driugeu soll. Da handelt es sich noch um etwas ganz andres, nämlich darnm, daß in den naturgemäß immer beschränkten Vorstellungskrcis des kleinen Mannes ein ganz neues Element eingefügt werden soll; oder drücken wir uns sur solche, denen dies zu abstrakt erscheinen sollte, folgendermaßen aus: es handelt sich darnm, in den wohlorganisirten und meist befriedigend eingeteilten, meist auch recht knappen Kreis der jährlichen Arbeiten eine nenc Reihe von Arbeiten, Mühen und Sorgen, ein neues Element des Wirtschaftsbctriebes einzuschieben, uud das ist keine kleine Sache. Die Fortschritts- und Freihandcls- partei hält es allerdings für etwas sehr einfaches; sie glaubt ja sogar, der gute Rat, „zu einem andern Wirtschaftssysteme oder zum Anbau von Handelsgewächsen u, dergl. überzugehen," genüge schon, um dies dem Bauer nun anch ohne weiteres zu ermöglicheu. Und doch ist es für eine bäuerliche und ebenso für eine größere Gutswirtschaft ein gewaltiger, den bisherigen Betrieb in vielen Punkten geradezu auf den Kopf stellender Gegenstand, wenn nur in der Getreidesorte teilweise ein Wechsel vorgenommen wird; und wenn der Besitzer nicht einiges Kapital für allerhand infolge hiervon erforderliche Umgestaltungen, sowie die nötige Autorität seinem Personal gegenüber besitzt, so kann selbst der kleinste Versuch dieser Art gründlich fehlschlagen. Im allgemeinen hat es seine guten Gründe, wenn der Bauer so schwer an irgend erhebliche Änderungen in seinem Wirtschaftsbctriebe herantritt, es vielmehr vorzieht, nur sehr langsam, Schritt für Schritt, die von ihm begriffenen und dnrch seine Verhältnisse gebotenen Fortschritte einzuführen; er kann eben in der Regel garnicht anders, weil eins das audre bedingt und eine gewisse Stetigkeit des Betriebes — selbst abgesehen davon, daß die so wichtigen uud intellektuell doch gewöhnlich nicht sehr entwickelten Hilfskräfte die herkömmlichen Arbeiten am besten verstehen — die Seele desselben ist. Nun erst der Obstbau, dessen ganzen Zweck der Vancr nur zu geneigt ist für unpraktisch oder für eine bloße wertlose Leckerei zu halten, nnd der doch, wenn etwas dabei herauskommen soll, so große Arbeiten, so viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit, so viel Berücksichtigung das ganze Jahr hindurch fordert. Dazu gehört ein ganz gewaltiger Nnck in der innersten Natur des kleiueu nnd mittleren Landmannes, wenn er sich entschließen soll, sich über diesen ihm vielleicht ganz neuen nnd ihm eigentlich garnicht sympathischen Gegenstand zn unterrichten und denselben unter viel Mühe und Kosten in sein Wirtschaftssystem anfznnchmen. Von vornherein kann dieser Rnck nur dann eintreten, wenn es der Landwirtschaft befriedigend geht, wenn sie be- Grmzbotcn VI. 1385, 4