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Literatur.

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Würdigung unsrer größten und schwierigsten, dabei anscheinend konkretesten Tages­fragen keine wichtigere Geistesfnnktio» giebt als die Phantasie!

Literatur.

Geschichte des preußischen Verwaltungsrechtes. Von Conrad Bornhak. Erster Band. Bis zum Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. Berlin, Julius Springer, 1884.

Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß der Einfluß von Gneist sich bisher mehr auf die legislative Praxis als auf die Theorie erstreckt hat. Keinem Zweifel kann es unterliegen, daß Gneists große Arbeiten über die englische Verwaltung und seine hieraus geschöpften Ideen für deren analoge Anwendung auf Grundlage des deutschen Rechtes, sowie seine anregende» Vortrage den erheblichsten Einfluß auf die preußische Verwaltungsgesetzgcbung geübt haben. Jetzt liegt ein Buch vor, welches schon auf den ersten Anblick den Schüler des großen Meisters verrät. Es war eine glückliche Idee und wie beim Ei des Kvlnmbns erscheint sie bei ihrer Verwirklichung geradezn selbstverständlich, eine Geschichte des preußischen Ver- waltungsrechtes zu schreiben. Denn nicht einem Zufalle ist es zuzuschreiben, daß die beiden entlegenen Marken des Deutschtums, die Ostmark und die Nordmark, sich zu den mächtigsten Staaten deutscher Kultur (Oesterreich und Preußen) erhoben haben uud daß sich aus der Nordmark durch die kraftvolle uud hingebende Leitung des hohenzollernschen Herrschergeschlechtes der führende deutsche Staat entwickelt hat. Diese Entwicklung wird am anschaulichsten in der Durchforschung der Rechtssätze, welche den hvheuzolleruschen Staat seit dem Beginn in allen Zweigen der Ver­waltung beherrscht haben, denn wie durch das Verdienst von Gneist jetzt als nubcstritten gelten kann ist nicht die geschriebene Verfassung, sondern die lebendige Verwaltung der Schwerpunkt des öffentlichen Rechts. (?) Dieses bildete sich in der Mark Brandenburg auf den Grundlagen des gemeinen deutschen Rechts; während aber in den reindeutschen Teilen die fürstliche Gewalt an dein Besitze der Großen zerschellte und sich selbst zersplitterte, blieb das Herrschertmn in der Mark vermöge der bedrohlichen Lage derselben nach außen und inuen ein kraftvolles. Daher kommt es denn, daß Brandenburg und Preußen bis zu dem Großen Kurfürste» in seinem öffentlichen Recht durchaus von den übrigen deutschen Territorien hinsichtlich der Grundlagen uicht unterschieden war, daß für alle Zeiten der grundlegende Charakter gesichert blieb, der Preußen seinem deutschen Beruf nicht mir nicht entfremdete, sondern dereinst befähigte, die politische Führerschaft in dem ganzen Reiche zu über­nehmen Als dauu das eigentliche deutsche Reich nur ein Zerrbild seiner ursprüng­lichen Verfassung war, bildete sich iu dem preußischen Partikularstaate der Keim zu dem neuen deutsche» Reiche aus. Die Kämpfe, welche der Große Kurfürst und Friedrich der Große zu bestehe» hatten, sind nicht bloß für Preußeu, sondern für Deutschland qekämpft worden. Trotz dieser jetzt sicherlich unbestrittenen Erscheinung liegt die Vergangenheit des preußischen öffentlichen Rechtes wie ei» Buch mit sieben Siegeln geschlossen vor uus. Was Rönne und Schulze iu ihren Handbüchern des preußische» Staatsrcchtes geben, ist nur eine gedrängte Skizze der Geschichte. Andre Autoren haben u»r einzelne Seite» berührt. Von dem verdienstvollen Werke Jsacck- sohns über die Geschichte des preußischen Beamtentums ist in diese» Blättern schon die Rede gewesen. Bon der Geschichte des Berliner Kammergerichts, welche wie uns bekannt schon seit Jahren im Mauuskript von Baron. Schaper, Strempff u. a. vollendet vorliegt, hört man seit dein Tode des letzten Präsidenten nichts mehr ver- Grenzboten III. 138S. 7«