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Unpolitische Briefe aus Wien : 4. Die Malerei :
(Schluß.)
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und dem Ganzen passend eingefügt war; über den Geschmack der Anordnung vder die unendliche Fülle der Gebilde; über die sichere Auswahl des kunst- und kulturgeschichtlich Passenden und Richtigen oder über die schöpferische Phantasie, der ungcsncht tausend Mittel der Allegorie und Symbolik zu geböte standen, um die gewöhnlichsten Vorrichtungen des handwerklichen Lebens zu adeln und Erfindungen unsrer Zeit, wie Eisenbahnen und Dampfschiffe, stilgerecht iu den Rahmeu des Neuaisscmcebildcs zu fassen; über die Dcnlkraft, die wie spielend die schwierigsten Aufgaben löste, vder über die frische Laune, welche einen heitern Schimmer auch über das Trockenste und Nüchternste ausgvß; über die sachver­ständige Beherrschung der verschiedenartigen menschlichen Thätigkeiten oder über den künstlerischen Blick, dem alle Farben und all der bunte Glanz znr herrlichsten Gesamtwirkuug zusammenstimmten. , , . Mehr als einmal haben wir ans dem Munde bei den Festzugsarbciteu beschäftigter Handwerker, Techniker, Architekten nnd Bildhauer die Äußerung vernommen, es sei eigentlich schade, daß Malart ein Maler geworden, einen so richtigen Blick und eine so sichere Hand besitze er gerade für ihr eignes Fach. Der große Klcidcrküuftler Worth könnte Malart um die Sicherheit nnd den Geschmack beneiden, womit er, wenn die Not an den Mann geht, ein historisches Fraucnkostüm zuschneidet oder aber auch ge­legentlich eine moderne Toilette cutwirft. Mit einem Druck der Hand versteht er das Haargebäudc einer Fran in schöne Ordnung zu bringen. Er tritt in eine Wiese und stellt im Nu ans Feldblumen einen Strauß zusammen, wie ihn der geübteste Kunstgärtner nicht schöner winden könnte. Mit Verwundernng sahen die, die ihn nicht kannten, wie er in den letzten heißen Vorbereituugs- stnnden hier einen Bildhauer, der mit dem Modelliren nicht zurccht kam, in der Arbeit ablöste, dort einem Architekten seine steifen Linien verbesserte, dann einem Tapezierer, der bei der Ausschmücknng der Fcstwagcu sich keinen Rat wußte, aus der Not half."

Hans Canons Originalität fällt dem Beschauer nicht gleich bei dem ersten Blick so entschieden ins Angc wie die Makarts, sie fordert nicht so laut zu Lob oder Tadel auf, sie ist auch schwieriger in Worten auszudrücken. In seiner Malerei sind die verschiedenartigsten überlieferten Elemente eigentümlich ver­schmolzen. Er gehörte keiner von den großen Schulen an, die im Laufe dieses Jahrhunderts in Deutschland vder Frankreich geblüht haben; verhältnismäßig spät zur Kunst geführt, war er in gewissem Sinne Autodidakt. Aber von den Meister» der Reuaissauee, von Rubens und den holländischen Genremalern hatte er mehr gelernt als irgendein Moderner. Aber eine kräftige, sinnliche, leiden­schaftliche Natur, wie er war, hatte er das Gelerute durchaus selbständig ver­arbeitet und es fällt auch dem Kenner sehr schwer, in seinen Bildern bestimmte fremde Einflüsse, die ja gewiß dasind, nachzuweisen, man kann nun sagen: hier malt er im Stil der Niederländer, dort des Tizian, hier der deutscheu Re­naissance. Großartig ist seine Vielseitigkeit: vereinigte man alle seine Werke