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Unpolitische Briefe aus Wien : 4. Die Malerei :
(Schluß.)
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Frnuenbilder, ihre heitere Sorglosigkeit, ihre Freude an Schmuck und Pracht typische Eigentümlichkeiten der Frauen und Mädchen Wiens sind, ist oft gesagt worden. Aber die Wienerin ist doch weit entfernt davon, ein solches Traum­leben zu führen, sie liebt leidenschaftlich und hat anch sehr energische Töne auf ihrer Gefühlsskala gegen das, was sie nicht liebt, wenn sie auch gewöhnlich zu gutmütig ist, um wirklich zu hassen. Das Charakteristische also der Makartschen Figuren, ihre lebensfrohe Lebenslosigkeit ist nichts Wienerisches, sondern aus des Künstlers eigner Natur geflossen.

In den Vorwurf, den die Moralisten Wider Mcckart erheben zu müssen glaubten, können wir nicht einstimmen. Frivol war er nicht, Lüsternheit hat er nicht gepredigt, und sein Pinsel hat von der weiblichen Schönheit nicht mehr ausgeplaudert, als was die Kunst des Malers dem Pinsel zn sagen erlaubt, ja gebietet.

Makart hat von dem Zweige der bildenden Künste, in dem seine Meister­schaft lag, eine ganz eigentümliche, man möchte sagen bescheidne Auffassung gehabt. Seiner Meinung nach hatte die Malerei eigentlich kein Anrecht auf eine ganz selbständige Pflege, sie sollte der Architektur dienen, sich mit einem dekorativen Effekt begnügen. Schon vor Jahren gab er dieser paradox klingenden Ansicht in einem vertraulichen Gespräche mit einem jungen Archäologeil Aus­druck. In seinen letzten Jahren wußte man anch in weitern Kreisen davon, nnd die Arbeit dieser Jahre galt auch zumeist der praktischen Exemplifikation seiner Theorie, die sich etwa mit Richard Wagners Lehre von der Einheit der Musik und Poesie vergleichen läßt. So wird es begreiflich, warum sich Makart zuletzt so leidenschaftlich mit Architektur selbst beschäftigte. Was er davon in die Öffentlichkeit gelangen ließ, war freilich befremdend, ja uugehcucrlich, aber es waren eben die ersten Versuche, und bekannt ist ja, daß Kaulbach, als er zuerst eiu Bild des jugendlichen Makart sah, ausrief:Wer dies gemacht hat, wird entweder ein Narr oder ein großer Maler." Vor den Architckturskizzen Mcckarts mochte sich wohl manchem ein ähnliches Wort auf die Lippeu drängen. Gerade zur Dekorationskunst aber im weitesten Sinne zeigte er immer die schönste Begabung, keiner nnter den modernen Künstlern wußte wie er die Schöpfungen verschicdner Kunstgattungen so harmonisch zu einem Ganzen zu vereinigen. Sein Lebenstraum ist es denn auch gewesen, einmal eineu Palast, ein Schauspielhaus oder ein andres öffentliches Gebäude ganz nach seinen Ideen herstellen und schmücken zu können. Der Traum ist nicht in Erfüllung ge­gangen. Aber eine große Gelegenheit hatte er doch, unsern staunenden Blicke» das ganze Maß seines Könnens zu geben. Es war dies der historische Festzug im Jahre 1879, den die Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares veranstaltete.Die Augenzeugen wußten nicht, schrieb damals Wilhelm Lauser, sollten sie mehr staunen über den großartigen Entwurf des Ganzen oder über die Sorgfalt, womit jedes Einzelne ausgestattet