Beitrag 
Unpolitische Briefe aus Wien : 4. Die Malerei :
(Schluß.)
Seite
603
Einzelbild herunterladen
 

603

Makarts Eigenart lag nicht gleich beim Beginn seiner Künstlerlaufbahn klar am Tage, Seine ersten Bilder zeigen ihn als echten Schüler Pilotys. Er war streng in der Zeichnung, nüchtern in der Farbe. Das wurde später umgekehrt. Seine spätere Vorstellungsart war eine ganz spezifische: er dachte in farbigen Komplexen. Die begrenzenden Linien waren bis dicht vor den Schluß seiner Arbeit etwas sehr Schwankendes und Bewegliches, während ein andrer Maler doch zunächst mit diesen ins Reine zn kommen bestrebt ist. Auf einem derFünf Sinne" war zu sehen, wie offenbar ganz zuletzt die Grenzen des linken Schenkels der weiblichen Gestalt vielleicht um einen halben Zoll weiter herausgerückt und der Knöchel des rechten Fußes höher angesetzt wurde. Durch die später aufgetragene Fleischfarbe leuchtete an diesen Stelleu noch der Grund durch, an einer Stelle sah mau sogar ein Blatt von einer Mohnrose durch­scheinen. Makarts künstlerische Art ist also der diametrale Gegensatz von Cor­nelius oder Knulbach, aber auch bei den ältern österreichischen Malern wäre so etwas unerhört. Die ersten Farbenskizzen Makarts sind darum auch stets ganz unklar, die Farben leuchten schon, aber der Beschauer weiß mit dem un­gestillten Fleischklnmpeu uichts anzufangen, er sieht die einzelnen Körper nicht deutlich von einander abgegrenzt. Wo daher Makart die Aufgabe wurde, streug in den Linie» zu sein, fühlte er sich beengt und gefesselt. Zum Porträtmaler war er aber schon deshalb nicht geschaffen, die Behandlung der womöglich recht prächtigen Gewänder ist ihm viel interessanter als der Kopf nnd die Gestalt. Dies trat besonders ans dem berüchtigten Bildnisse der Sarah Bernhard hervor, an dem das Schönste das Goldbrokatkleid war. Am schwächsten ist Makart in seinen großen Bildern gewesen wenn man sie nämlich als das ansah, was ihre Aufschrift bezeichnete: als Historienbilder. Von einer Komposition kann man da garnicht reden, beinahe niemals vermag man sich von dem Schauplätze der dargestellten Handlung eine deutliche Vorstellung zu machen; seine Historien­bilder sind nur großartige Maskeraden. Auf alleu seinen großen Gemälden stehen die Personen eben nur da, um sich dem Publikum recht günstig zn prci- seutiren. Sie wissen von einander selten etwas, Handlung nnd Gefühl ist ihnen fremd, noch viel mehr Leidenschaft. Seine Gestalten, namentlich die weiblichen, vegetiren so uuschuldig dahin wie die Blumen auf dem Felde. Bisweilen wandelt sie wohl anch ein bischen Melancholie au, aber mir, wenu es ihnen gut steht. Was Schmerz ist, wissen sie garnicht, aber auch Freude empfinden sie nur iu einem sehr mäßigen Grade. Sie lächeln gern, nm dabei ihre Perlenzähue zeigen zn können. Zweck hat ihr Dasein fast nie. In herrliche Gewänder gehüllt oder in blnmcnhafter Naivität alle ihre Reize zur Schau stellend, leben sie und sind schön, nur um zu leben uud schöu zu sein. An einem historischeu Ereignis teilzunehmen oder pathetisch zu werden, wird diesen Wesen sehr sauer; mitunter führen sie ihre Rolle mit leidlichem Anstand durch, aber vom Herzen kvmmts ihnen nicht. Daß die naive Schönheit der Makartschen