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Goethiana.
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Eraigeuputtoch, Dumfries, L. May 34.

Mein theurer Eckcrnmuu,

Endlich, nach dem langen stürmischen Winter, erreicht mich vor einigen Tagen Ihre liebe Bvthschaft vom 10. Nov. 1833, ein langsamer, aber höchst willkommner Empfang. Es ist schmerzlich zn denken wie unsre Korrespondenz in der letzten Zeit verunglückt ist: Ihr Brief vom vorigen Sommer gelaugte nie Hieher, während von mir wenigstens zwey verloren gegangen zu seiu scheiueu! Meiu letzter vou Ihnen war das Packet vom Winter des vorigen Jahres, welches, wie ich mich sehr Wohl erinnere, mir begegnete (in den Händen eines Landmannes ans seinem Wege zu uns) nu einem stürnüschcn Tage im Thale von Glenetsland (!!), zwischen den Ge­birgen. Ich erbrach es eilig, uud untersuchte es trotz dem Winde mit hastigen Blicken. Ich fand darin die Gegenstände die Sie erwähnen: einen Brief von Ihnen, das letzte Heft von Kunst uud Alterthum, Herrn v. Müllers interessante Brochüre, beydes mit einer höchst freundlichen Inschrift von seiner eignen Hand, endlich Hru. Schwerdtgeburts Kupferstich, uud die Medaille von Frau v. Goethe. Eine dankbare, weitläuftige Antwort verfehlte nicht mit nächstem Pvsttage von mir abzugehen, uud dieses, scheint es, war eine Antwort in die Winde gesprochen. In Wahrheit, Ihr habt der Treue nöthig Ihr meine Freunde in Weimar, woran auch, wie ich zu sehen höchst glücklich bin, es Ench in der That nicht fehlt. Wollen Sie nuu, meiu theurer Eckermann, nach so langer Zeit sich selber uud deu Uebrigen alle deu Dcmk sageu deu, wie Sie dcukeu können, ich ausdrückte: sagen Sie an Frau v. Goethe, daß ihre Medaille auf unserem Kamiusimse liegt, noch immer in den: Umschlage Ihrer Handschrift, in einem kleinen Kästchen von römischem Porphyr (das einst dem Kaiser Nero gehörte) uud uns täglich an sie erinnert. Auch ist ihr Versprechen eines Briefes von uns nicht vergessen worden, und wie wir hoffen anch uicht von ihr. Sageu Sie dem Geheimenrath >von Müllers daß ich lese nnd wieder lese in mehr Sprachen als in einer, seine schätzbare Schrift, uud mit wahrem Verguügeu, uud daß ich mich reicher dnrch seine Achtung fühle. Uud nun lassen Sie uus hoffen daß nicht wieder eine solche Stockung uud Zögeruug iu unserem Verkehr eintrete, da bloß irdische Entfernung uns trennt. Ja ich komme in diesem Augenblick Ihnen sogar näher, wenn auch nicht sehr viel in physischen Meilen, doch sehr viel in geselliger Bequemlichkeit.

Denn dieses, mein Freund, ist wahrscheinlich der letzte Brief den Sie ans Crnigenputtvch erhalten. Wir gehen mit nächstem Pfingsten nach London und iu zwey Tagen, um unsere Vorbereitungen an Ort und Stelle zu macheu. Uud dort habeu wir küuftig unseru Wohusitz. Daß dieß eine große äußere Veräuderuug ist werden Sie fühlen, aber kaum werdeu Sie sich sagen können wie groß sie ist. Aus der stillsten tiefsten Emsamkeit dieser Welt zn dem geräuschvollsten nie schla­fenden, unermeßlichsten Babel worauf je die Sonne herabsah! Der Gedanke daran erfüllt mich mit einem dunkelu ungeheuren Vorgefühl, aber der Schritt ist unver­meidlich, ja offenbar nothwendig. Auch tröste ich mich oft mit dem auf weiser Einsicht gegründeten und immer aufs neue wieder auweudbaren Spruch unsers Goethe:Wir betrachten unsere Schüler sämmtlich als Schwimmer, die vou dem Elemente das sie zu verschlingen drohte, sich unerwartet gehoben und getragen fühlen." Wahr, wie wahr! So laßt uns denu schwimmen, so lange das Leben dauert, iu diesem oder jenem Wasser, mit mehr Raum oder weniger, und wenn nnr die Richtung gut ist, unser Geschick segnen. Ich pflegte die Londoner Wassers