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beherrscht. Statt dessen ist er gestorben und hat damit seine eignen Weissagungen zunichte gemacht und sich als Betrüger enthüllt. Was wird er antworten, wenn jetzt Monkir nnd Nakir, die schwarzen Engel, an seinen Sarg treten, ihm aufzusitzen gebieten und ihn über sein Leben und Thun verhören, wie das mit jedem Menschen im Grabe geschieht? Wird er ihnen gegenüber bei seiner Behauptung, von Allah berufen worden zu sein, zu verbleiben wagen? Haben gute Engel, statt dieser Inquisitoren, der scheidenden Seele begegnet und sie als die eines wahren Propheten unverweilt uach dem Paradiese geleitet, oder wird er in der Zwischenzeit bis zur Auferstehung wie der körperlose Geist eines Märtyrers im Kröpfe eines grünen Vogels fortleben, der sich vom Laube der Paradiesesbäume nährt? War er wirklich der Mahdi, der Prophet Gottes, so hat er jetzt schon vom Wasfer des Himmelsstromes getrunken, welcher den Durst cmf ewig stillt, und ruht in prächtigem Gewände in seinem Zelte, das aus einer einzigen mondscheinfarbigen Perle besteht und unter dem alle Wonue tragenden Jubabaume dicht an einem Bache aufgeschlagen ist, darin Milch, Honig und Wein fließen. Eine Schcmr schwarzäugiger Paradiesesmädchen, von Moschus duftend, umgaukelt ihn. Wehe ihm aber, wenn die Muakkibat, die Aufsichts- eugel, die jeden während seines Lebens begleiten, bei Allah ihr Verzeichnis eingereicht haben und ihm das sür alle Paradieseskandidaten unerläßliche Minimum von Wahrheit und Gerechtigkeit, „halb so schwer als das Gewicht einer roten Ameise," mangelt; denn in diesem Falle wird, wie das „lichtvolle Buch" sagt, das Schicksal des Sohnes Abdallahs ein weniger seliges sein als das des geringsten seiner Speerträger, die in der Schlacht für den Glauben ihr irdisches Leben Hingaben.
Wir sind überzeugt, daß diese Fragen, die Fragen über den jenseitigen Zustand des Propheten, die Gemüter im Sudan jetzt vorwiegend beschäftigen werden. Aber auch die politische Seite des Todes Mohammed Achmeds wird in ihren Betrachtungen eine wichtige Rolle spielen. Seine Anhänger müssen seinen Plötzlichen Hingang wie einen schweren Schlag empfunden habeu und tief entmutigt sein. Namentlich die Derwische, iu denen vorzugsweise die Stärke seiner Macht und der Nerv der ganzen Erhebung lag, müssen förmlich betäubt davon sein. Es war das letzte, woran sie gedacht, was sie erwartet hätten. Was sind sie ohne einen Mahdi? Was ist sein Neffe, den er zu seinem Nachfolger ernannt hat? Ein andrer Mahdi soll aufgetaucht sein, aber er wird sich erst durch Erfolge zu legitimiren haben, und die können nur durch einen Bürgerkrieg zunächst mit Landsleuten augestrebt werden. Zersplitterung der von dem nun gestorbnen Propheten zusammengefaßten Kräfte, Ungewißheit und Zweifel werden an die Stelle der Begeisterung treten, welche die Bewegung bisher hob und trieb und unwiderstehlich machte. Sie muß auf jeden Fall eine Weile Halt machen. Die Aufständischen werden sich gegenseitig bekämpfen, zerfleischen und schwächen. Bis die übriggeblieben Führer und die Derwische sich für einen