Reisebriefo aus Italien vom Jahre ^83,2.
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Damit hätten wir das Gemütsleben Leutholds nach seinen wesentlichen Zügen umschrieben. Noch enthält sein Buch ein Epos „Pcnthcsileia," Rhapsodien aus einem unvollendeten Zyklus „Hannibal," Übertragungen aus dem Griechischen, Arabischen, Altdeutschen, Englischen, Ungarischen und Italienischen, auf die wir nur hiermit verweisen; das Bild des Dichters beeinflussen sie nicht weiter. Den Liebhabern „guter Sachen," um mit Gottfried Keller zu reden, seien diese formvollendeten Übersetzungen besonders empfohlen.
Innsbruck. Moritz Neck er.
Reisebriefe aus Italien vom Jahre
Aus dem Nachlasse von !V. Roß mann. (Fortsetzung.)
Von Rom unch Neapel, 20. November. ^ier Weg führt wieder durch Marino, Albcmo, dann an mancher Ruine aus alten und mittelalterlichen Zeiten vorbei. Gebirge rechts und links. Davor überall vortrefflich knltivirtes Land. Monte Cassino höchst imposant ans steiler Hohe. Capna. Die Terra di Lnvoro mit reichem Wein- und Gemüsebau. Aber leider hatte es bald zu reguen begonnen, und unter gramstem Himmel fuhren wir in Neapel eiu.
Neapel, 21. November.
Und früh regnete es weiter. Ein gar zu betrübter Eindruck, uachdem ich während meines ersten, monatelangen Aufenthaltes nicht einen Regentag gehabt. Mit all meinen Beschreibungen stand ich kompromittirt da, und wie habe ich so den Wert und die Bedeutung des Sonnenlichtes gefühlt. Es blieb uns zunächst das Museum, und diese herrliche Sammlung entschädigt denn freilich für vieles. In den Sälen der Bronzen ist seit meinem- ersten Aufenthalte manches hinzugekommen: köstliche Porträtbüsten uud ein kleiner Faun, ein Seitenstück zu dein berühmten tanzenden. Dann einige bemalte Marmorsigureu, über die ich noch Genaueres aufzeichnen werde.
Unter den ucu hinzugekommenen Wandgemälden findet sich sehr Interessantes und stofflich Bedeuteudes: eiu Bacchant am Fuße des Vesuvs, der ganz mit großen Weinbeeren bekleidet ist und von fern wie eine Traube aussieht; schlafende Bacchantin und Faun; Herkules, der den Centauren tötet; eine nmsikalische Konversation von feinster Ausführung; der Raub der Enropa, wie es scheint von demselben Künstler; Europa hat sich eben auf den Stier gesetzt, den eine ihrer Gespielinnen liebkost; Pyramus und Thisbe: er ist bereits tot, sie ersticht sich; Jphigenie, von einigen