Deutsches Künstlerleben im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert.
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burtsbrief beigebracht, so unterwarf sich der Knabe einer drei- bis vierwöchcnt- lichen Probe, Erst wenn diese zur Zufriedenheit ausgefallen war, wurde der Lehrkontrakt abgeschlossen und in diesem die Dauer der Lehrzeit und das Lehrgeld festgestellt, z. B. „Jörge ebersbach hat globet czn dinen Peter Stritschen dem moler 4 yor an ezu heben czn phingesten, und der Vater sol den Jungen cleyden und der meister sal im schu besorgen." Die Aufnahme bei der Zunst im Kreise der versammelten Meister war der erste Festtag des jungen Malers. Die Dauer der Lehrzeit betrug drei bis fünf Jahre. Bei dreijähriger Lehrzeit hatte der Lehrling dem Meister ein Lehrgeld von einer Mark zu zahlen; konnte er dasselbe nicht erschwingen, so sollte er vier Jahre dienen; in der Regel diente er aber noch länger, wobei freilich der Meister in den spätern Jahren ihm Wvchen- lohn zu zahlen und Kleidung zu liefern hatte. Von theoretischem Unterricht wie in Italien war nicht die Rede. Der Lehrling lernte seine Kunst ganz empirisch, verrichtete alle Handleistungen, die sonst ein Lehrjunge zu verrichten hatte, und eignete sich dabei die Bereitung der Farben und deren Behandlung au. Er lernte ausschließlich durch den steten Verkehr mit dem Meister, durch den Einblick in die Art, wie jener konzipirte und seine Konzeptionen zur Ausführung brachte, und sammelte so gleichsam spielend beim Meister seine Erfahrungen.
Nachdem die Lehrzeit verflossen war, trat er wieder vor die Zunftlade, um durch ein Probestück darzuthun, daß er seine Lehrzeit richtig benutzt habe. Hatte sein „handwerck ein gut gingen gehabt," so trat er in den Geselleustand über und begann seine Wanderung. Nach altem Handwerksbrauch von Stadt zu Stadt wandernd, hier kürzer, dort länger verweilend, in einer oder der andern Malerwerkstatt arbeitend, suchte er neue Erfahrungen zu sammeln. Wenn es ihm möglich war, pilgerte er nach den Niederlanden, wo gerade damals infolge der Bestrebungen der Eycks die Malerei ihren glänzenden Entwicklungsgang begonnen hatte. Über sein Verhältnis zum Meister, seine sittliche Führung, die Arbeitszeit und dergleichen waren ihm genaue Vorschriften gegeben. Er hatte eine zweiwöchenttiche Probezeit zn bestehen, im Sommer mit dem Frühgelänte aufzustehen und bis zum Abendessen, im Winter auch noch bei Licht zu arbeiten. Selbständige Arbeiten, wie sie nnr den Meistern zukamen, durfte er nicht übernehmen. Für die Entlassung war eine zweiwöchentliche Kündigungsfrist festgesetzt.
War dann der junge Künstler unterrichteter und geschickter von seiner Wanderschaft in die Vaterstadt zurückgekehrt, um sich dort als selbständiger Meister niederzulassen, so mußte er zunächst das Bürgerrecht erwerben, da keiner, der nicht Bürger war, eine Werkstatt halten und öffentliche Auftrüge annehmen durfte. Zur Erwerbung des Bürgerrechtes wurde gewöhnlich das „mannbare Alter" von fünfundzwanzig Jahren gefordert; das Einkaufsgeld betrug zwei bis vier Gulden. Die Eintragung in die Bürgerlisten erfolgte etwa mit den Worten: „Item Dinstag vor Ulrici anno ... ist F.'R. dem maler das burgrecht glihenn. .juiAvit xront inoris s»t."
Grcnzboten III. 1885. 3