666 Johannes Bngenhagen und die Reformation in der Ltadt Braunschweig.
schreite» und sie aus der Stadt zu verweisen, eine Maßregel, die Ostern 1525 nochmals gegen den lutherisch gesinnten Prädikanten Curt Grotcwcill in Anwendung gebracht wurde. Hatte aber dies Vorgehen des Rates von der Nachfolge abschrecken sollen, so verfehlte es seinen Zweck. Stetig wuchs nicht nur die Be- kennerschaft der neuen Lehre unter den Bürgern, sondern auch die Zahl der mutigen Prädikanten, welche sich nnterwanden im neuen Geiste zu predigen, ohne daß der Rat, der in seinen fortwährenden Finanznöten den guten Willen der Gemeinen dringend nötig hatte, auch stürmische Bewegungen des niedern Volkes, wie sie sich an andern Stellen gezeigt hatten, befürchten mußte und zndem in der nächsten Nachbarschaft, wie im Lüneburgischen, die evangelische Sache wachsen und die Herrschaft erlangen sah, in der alten Weise einzugreifen gewagt hätte. Gestützt auf die Mehrheit der Bevölkerung, konnten die beiden Prädikanten zu St. Magni Ende des Jahres 1527 den Anfang machen, deutsch zu taufen und das Abendmahl unter großem Zulauf in beiderlei Gestalt auszuteilen. Schon zu Anfang des nächsten Jahres zwang die drohende Haltung der Evangelischen, die trotz des strengen Verbots des alten Echtedinges Versammlungen abgehalten und „Verordnete" bestellt hatten, den in seiner Mehrheit immer noch der alten Kirche zugethanen Rat, sich mit den letztern in Unterhandlungen über eine durchgreifende Änderung der Kirchenverfasfung einzulassen. Freilich über den Grad uud die Mittel dieser Umgestaltung gingen nicht bloß die Meinungen der Laien, sondern auch die der antipapistischen Geiste liehen weit auseinander. Zur Not eiuig in dem Gegensatze gegen die römische Kirche, zeigten sich die letztern doch in sehr wesentlichen Punkten, beispielsweise in der Abendmahlslehre, von den verschiedensten Ansichten, welche darüber im Schwange gingen, namentlich auch vou Zwinglischen Lehren beeinflußt, und keiner von ihnen stand als Charakter oder Ingenium so hoch über deu andern, um nach der einen oder andern Seite den Ausschlag geben zu können. Dem ärgerlichen Hader der Prädikanten, der Gewissensnot und Verlegenheit des Volkes, der offnen und geheimen Freude der Gegner ein Ende zu machen, schlugen die Evangelischen durch ihren Wortführer, den Juristen Autor Sander, dem Rate vor, einen gelehrten Theologen von auswärts zur Herstellung einer einheitlich geschlossenen Kirche im neuen Geiste zu berufen.
Die erste Wahl, welche man vereinbarte, war keine glückliche. Wohl war der ehemalige Halberstädter Mönch Heinrich Winkel, der zur Zeit in Jena als Prediger amtirte, eine durchaus reine Natur; um des Evangeliums willen hatte er seine Heimat aufgegeben, mit Freuden folgte er jetzt dem Rufe nach Braunschweig, predigte und lehrte hier unermüdlich und suchte mit bestem Willen und heiligstem Ernste die ihm gewordne Aufgabe zu lösen. Aber es fehlte ihm neben jeder Schärfe die weltkluge Gewandtheit, welche zwischen offnen und versteckten Feinden, eigenwilligen, lanen und übereifrigen Freunden den rechten Weg zu finden vermag. Man verstand es von gegnerischer Seite, Mißtrauen