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Reisebriefe aus Italien vom Jahre 1882 : aus dem Nachlasse :
(Fortsetzung.)
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Museum.) Ein Anfang mit der Wiederbelebung dieser Technik ist, wie ich höre, am Denkmal Grases in Berlin gemacht, und mau sollte sie weiter pflegen. Das töpferreiche Meißen wäre der Ort dazu. Mit wenig Mittelu läßt sich in dieser Art eine echt künstlerische Wirkung auf große Dauer erzielen.

Wir folgte» nun dem strömenden Volke, welches Kränze und Kerzen auf deu Gottesacker hinaustrug, zum Fest Allerseelen oder Allertoten, wie es hier heißt. Zwei Kirchhöfe nebeneinander, einer für ärmere, einer für reichere Leute. Auf dem ersten steckte man die Kerzen einfach in die Erde und legte Kränze und ein­zelne Blumen auf die Gräber. Wehmut oder Gram wurden nirgends bemerklich; über dem Arrangement der mitgebrachten Sachen kam der Schmerz der Erinnerung nicht auf. Auch ist die Grundidee der Feierlichkeit, den armen, einsamen Toten da draußeu einmal einen vergnügten Tag zu macheu; dazu muß man selbst heiter scheu. Auf dem reicheren Kirchhofe trieben die Mitglieder einer Totenbrnderschaft in schwarzen Kattnn- oder Serschekapuzen, welche die Gesichter verhüllen, ihr Wesen. Sie hielten Wache an den verschiedneu Eingängen und klirrten erschreckeud mit ihren Büchsen um Almosen.

Florenz, 2. November (Albergo Sau Mareo).

Nachmittags am 1. nach Florenz. Der Weg höchst unterhaltend. Die Mais­ernte war eben beendet, und die Landhäuser waren mit den an Schnüren cmf- gehäugteu dunkelgoldgelben Kolben überall iu der Weise bedeckt, daß fast nur die Thüreu und Fenster freiwaren.

In Florenz haben wir uun jede Minute ausgebeutet, und ich muß daher mit meinen Aufzeichnungen kurz seiu, um nicht zu sehr in Rückstand zu geraten; aus den Katalogen wird sich später manches weitere ergeben. Wir haben nicht weniger als vier große Museen und zwölf Kircheu gesehen.

Am Dom fiel mir diesmal auf, daß er inneu weit kleiner wirkt, als man außen nach den großartig gelagerten Massen erwarten dürfte. Es liegt dies ohne Zweifel darau, daß er gar zu wenig Licht hat. Bei unserm ersten Besuche war der Himmel allerdings grau, uud die Fiusteruis war infolge dessen so groß, daß man im Chor und den Querschiffen fürchten mußte, anzustoßen; aber auch bei hellerm Lichte waren die Gemälde nicht zu erkennen. Von köstlicher Wirkung der Campanile, der frei neben dem Dom steht; ein Werk Giottos und ein Beispiel, wie es der Kraft eines Genies möglich ist, zwei, wie. es scheint, einander wider­strebende Stilcirteu ganz harmonisch zu verbinden; denn die Gothik ist hier iu der That in die ältere, den Horizontalabschluß übcude Bauweise vollkommen auf­gegangen. Am Baptisterinm die Brvuzethürcn des Loreuzv Ghiberti wiederholt eingehend besichtigt.

In der Galerie der Ufsizien (eines von Vasari für die verschiedneu Regieruugs- ämter errichteten Gebäudes) grüßt man viele alte Bekannte vornehmster Art: die mediceische Venus, den Schleifer, die Ringer, die Niobideu; vou Gemälden Tizians Venus des Herzogs von Urbiuo, die früher dem Raffael zugeschriebene, neuerdings dem Sebastian del Piombo überwiesene sogenannte Fornarina, die schöne Bäckers­tochter im Pelzkragen und mit einem Lorberkrcmze geschmückt, nuvcrgleichlich in der Noblesse des Ausdruckes uud der Lebenswahrheit der Karnation. Die Madonna vou Raffael mit dem Stieglitz u. f. w. Ich kcmu aber fchon hier sagen, daß kein Nafsaelifches Bild in Florenz mit der Sistina zu vergleichen ist, und Deutsche, welche Dresden kennen, finden sich daher iu bezug auf diesen größten Maler leicht ent­täuscht; zumal da ihm hier Perugin o so große Konkurrenz macht. Ebenso giebt es