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Vstxreußische Skizzen.
dieser Orte liegt in der raschen und bequemen Verbindung mit Königsberg; ebendeshalb freilich werden sie (namentlich Neuhäuscr) zuweilen auch in einer Weise mit großstädtischem Sonntagsnachmittogs-Publikum überflutet, die nicht jedermanns Sache ist. Im übrigen haben Pillau und Ncnhäuscr manches Anziehende. Das an einer Bucht des frischen Haffs gelegene Fischhnnscn hat zu wenig Wellenschlag, als daß man hier von einem „Seebad" reden konnte.
Nächst dem „Strande" pflegt der Ostpreuße sich in landschaftlicher Hinsicht der masnrischen Seen zu rühmen. Auch dieser Schätzung können wir nur sehr bedingungsweise beistimmen. Es giebt Punkte, wo der Blick auf stattliche Seen sich mit tiefer, tiefer Waldeinsamkeit verbindet, in ähnlicher, nur viel großartigerer Weise wie beim Utlei-See im östlichen Holstein, unweit Eutiu; der mit Recht berühmteste dieser Punkte ist die Oberförsterei Lanskervfcn im Kreise Allenstein, nahe der Krcisgrenzcn von Osterode nnd Neidenbnrg. Der hier zu gewinnende Eindruck ist wirklich in seiner Art einzig, nnd eine so herrliche, gleichsam berauschende Luft wird man lauge vergebens suchen. Diese Art Seelandschaften also kann man sich gefallen lassen, nnd auch sonst giebt es deren, die nicht zu verachten sind. Schon die stattliche Größe mancher Seen, des Mauer-, des Löwcntin-, vor ollem des Spirdingsees, macht unter günstigen Uniständen einen Effekt, und wenn dann nur eine am Ufer gelegene Ortschaft sich in leidlich malerischer Weite präscutirt, wie dies z. V. mit Auger- burg vom Schlosse Stcinort aus der Fall ist, so giebt das ganz imponircnde Blicke. Weiterhin ist anzuerkennen, daß nicht selten hohe, bewaldete Ufer ein Seegestade oder einen bestimmten Teil desselben in freundlicher oder auch in pittoresker Weise umkränzen, daß Ortschaften am jenseitigen Ufer zuweilen einen sehr angenehmen, wirkungsrcichcn Hintergrund bilden, daß hie nnd da cinch Inseln oder Vorspriingc die Seclandschaft beleben. Aber alles das muß doch schon aufgesucht werden; es bietet sich keineswegs überall und von selbst dar, und es will uns scheinen, als kämen die masnrischen Seen bei Aufzählung der landschaftlichen Reize Ostpreußens erst ziemlich weit gegen das Ende hin.
Dagegen sind es zwei Flußthälcr nebst mehreren Seitenthälern derselben, die in Ostpreußen selbst bei weitem nicht genug gewürdigt sind, und die, wenn auch nicht einer Touristcnfahrt nach Ostpreußen, doch eines Aufsuchens durch den im Lande Wohnenden vollkommen wert sind nnd die kleine Mühe reichlich lohnen: die Thäler der Alle und der Passarge. Die Alle ist der wichtigste Nebenfluß des Pregels, dem sie bei Wchlau ihre Gewässer zuführt; ihr etwa dreißig Meilen langer, sehr gewundener Lauf ist ungemein reich an hübschen Partien. Schon die Quellen der Alle, tu sehr übersichtlicher Weise eiucm waldigen Hügel-Halbrund entspringend, sind sehenswert, und den jungen Flnß durch Wälder und Seen und an einsamen Mühlen vorüber zu verfolgen, wäre zwar etwas strapaziös, aber sonst gar kein übler Gedanke. Unterhalb Allenstein ge-