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Bestreben für eine wissenschaftliche Landeskunde Deutschlands.
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Holznutzung, Berg- und Hüttenwesen brachten reichen Ertrag. Einige dieser Städtchen, welche an bedeutsamen Terrainabschnitten lagen, wurden Stapelplätze für die Wald- und Landprodukte; Privilegien, Stiftungen, feste Mauern und wehrhafte Bürger, sowie die Unterstützung des Territorialherrn kam hinzu, und bald erreichte der Verkehr an solchen Orten sehr bedeutenden Umfang.

In diese Blüte fiel verwüstend der dreißigjährige Krieg. Die Ortschaften an den Hauptübergängen des Gebirges litten so, daß es Jahrhunderte bedürfte, um das verarmte Volk wieder emporznbringen. Dann kam der siebenjährige Krieg, und wieder erfuhren die friedfertigen Waldbewohner alle Schrecknisse, die über ein Passageland ergehen. Dabei wirkte im Laufe der Jahrhundertc die Zersplitterung der einzelnen Territorien als destruktives Moment mit. Erst nach den Freiheitskriegen führten die Erbverträge von 1825 zu einer einheit­licheren Znsammenfassnng lange getrennter, aber zusammengehöriger Gebiete, und endlich bahnte der Anschluß an den preußischen Zollverein neue Bezugs­und Exportverhältnisse au.

Bei der Eröffnung der Eisenbahnen im Anfange der dreißiger Jahre schien der Thüringer Wald noch einmal wie in grauer Vorzeit in seine den Verkehr hemmende Wirksamkeit eintreten zu sollen, die Hauptstraßen verödeten, es wurde still im Gebirge, ganze Industriezweige verkamen. Jetzt durchbricht der nach Suhl führende Brandleitetunnel das Hemmnis, Stichbahnen entstehen allerorten, und aus einem Gürtel vou Schienen umkreist das Dampfroß das Waldland- Thüringen steht augenblicklich in einer Siedelungsphase mitten drin.

Schvn dieser kurze Auszug aus der der Regelschen Studie vorausgeschickten allgemeinen Erörterung wird gezeigt haben, aus welcher Fülle vou Gesichts­punkten heraus der Verfasser arbeitet. Der spezielle Teil der Abhandlung be­schäftigt sich eingehend mit jeder der Gebirgshauptstraßen und zeigt die Ent­wicklung des Verkehrs und die fortschreitende Besiedeluug in den einzelnen Thälern an der Hand urkundlicher Nachweise, wobei zu bewundern ist, daß sich ein Geograph wie Regel so in die Lokalhistorie hat hineinstudiren können.

Die Kirchhoffschc Zusammenstellung wie die Regelsche Arbeit zeigen an einem allbekannten Lande, worauf die wissenschaftliche Landeskunde von Deutsch­land hinauswill, sie beabsichtigt eine erschöpfende Darstellung der natürlichen und der Kulturverhältnissc unsers Vaterlandes. Daß gegenwärtig eine große Anzahl von Gelehrten dafür thätig ist. kann als ein Beweis dafür gelten, daß die Wissenschaft des ncueu deutschen Reiches sich gern in den Dienst des Pa­triotismus stellt; die Förderung der wissenschaftlichen Landeskunde von Deutsch­land ist nicht minder bedeutsam als die Förderung einer deutsche» Kolonisation.