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Zur Revision manchesterlicher Lehren.
beklagt und mildthätiger Fürsorge empfohlen werden. Aber die Übergangsperiode ist da, wir befinden uns mitten darin und mögen uns getrosten, daß sie zu bessern Zuständen fuhrt. Dem Wahne aber sollen wir uns nicht hingeben, es sei möglich, Not und Elend aus dieser Welt zu verbannen. Wohl aber mögen wir einen Zustand anstreben nnd für erreichbar halten, wo kein Notstand unbeachtet bleibt und die menschliche Gesellschaft sich ihrer Solidarität vollkommen bewußt ist.
Notstände aber wird es immer geben, auch wenn es gelingt, den Lohn der Arbeit in allen Zweigen gewerblicher Thätigkeit nach befriedigenden Sätzen, nach ihrem innern Werte zu regeln. Denn dahin können wir zwar gelangen, daß jeder Arbeiter in gerechter Weise entlohnt werde, nicht aber auch dahin, daß unter allen Umständen und zu allen Zeiten auch jeder Arbeitsuchende beschäftigt werde.
Der Umfang, in welchem Arbeiter beschäftigt werden können, hängt nicht von der Güterproduktion, sondern von der Nachfrage nach Produkten ab, vom Bedürfnis der Konsumenten. Die Vermittlung aber zwischen Prodnzenten nnd Konsumenten, das Aufsuchen von Konsumenten für die Produzenten und die Anregung der Unternehmer nach den Bedürfnissen der Konsumtion, die Sorge dafür, daß die Produktion sich nicht in falsche Bahnen verirre, daß augenblicklicher Mangel oder Überfluß an Gütern durch entsprechende Spekulation ausgeglichen werde — dies alles ist Sache des Handels, nnd deshalb ist die Blüte und Ausdehnung des Handels ein so wichtiges Erfordernis für das wirtschaftliche Gedeihen eines Volkes. Auch dessen ist sich nnsre Zeit, Volk und Negierung vollkommen bewußt, und wie wir hoffen dürfen, daß innerhalb der Produktion das Verhältnis zwischen Kapital, Unternehmer und Arbeiter sich bcfriedigeuder gestalten werde, so können wir auch darauf vertrauen, daß unser Handel solche Ausdehnung gewinnen werde, daß kein zur Arbeit williger und fähiger Mensch ohne Beschäftigung bleibe.
Das Wesentliche ist, und damit will ich diese Bemerkungen schließen, daß die Mängel unsrer wirtschaftlichen und sozialen Zustände erkannt werden, und daß auf allen Seiten, sei es freiwillig oder vom Zeitgeiste genötigt, der Wille vorhanden sei, die bessernde Hand anzulegen. Rom ließ sich dnrch drei gefährliche Sklavenkriege (141—71 v. Chr.), die das Reich an den Rand des Abgrundes brachten, nicht warnen und ging an der Zersetzung seiner Gesellschaft durch das Sklavenwesen zu gründe. Der deutsche Adel fand weder in der Religion noch in politischer Klugheit einen Anlaß, auf die Klagen seiner zum Äußersten mißhandelten Leibeignen zu hören und mußte es in den Bauernkriegen büßen. Mit derselben Blindheit waren die regierenden Klassen in Frankreich geschlagen, als der dritte Stand seine Gleichberechtigung, ja seine Überlegenheit geistig bereits erkämpft hatte, ihm aber jede Beachtung im Staate versagt wurde, sodaß der Ausbruch der großen Revolution nnd der Umsturz aller bestehenden Verhältnisse die unvermeidliche Folge wurde.