462 Die Mode im alten Griechenland.
wirken hier nicht nur nicht störend, sondern tragen sogar in ausgezeichneter Weise dazu bei, die Tracht als etwas selbständiges hervortreten zu lassen, ohne daß die Deutlichkeit der Körperformen darunter litte. Im vierten Jahrhundert v. Chr. fängt jedoch allmählich auch auf diesem Gebiete bereits wieder der Verfall an, und seit der Zeit Alexanders des Großen wird auch bei rein hellenischer Tracht reiche Musterung, namentlich auch mit figürlichen Darstellungen, immer allgemeiner; besonders nnteritalische Vaseugcmälde zeigen darin große Üppigkeit. Es fehlt nicht an Beispielen unter deu Denkmälern, welche uns das Ungereimte, Unästhetische dieser Mode erkennen lasse»; die reichen Muster verleihen der ganzen Figur etwas unruhiges, die Körperformen treten unter dem Gewände vollständig zurück, und wenn sich bei figurenreichen Kanten oder Kleiderstoffen durch den Faltenwurf die Darstellungen verschieben oder übereinander legen, so entstehen nicht selten ganz monströse Bildungen.
Was endlich den Stoff anlangt, so haben wir schon angeführt, daß in der Fraucntracht bei dem von Hervdot bezeugten Wechsel der Kleidung der linneue Chiton eingeführt wurde, ohne daß jedoch deshalb der Gebrauch wollener Stoffe abgekommen wäre, bei den Männern dagegen mit Abnahme der langen Chitone der wollene mehr allgemein wurde. Die ältere Kunst zeigt jedoch, nachdem einmal die enganliegende Kleidertracht der ältesten Zeit abgekommen war, in der Regel zwei Bekleidnngsstvffe, einen feine uud flache Falten werfenden und einen, welcher mehr in großen und tiefen Falten bricht. Man kann nicht überall mit Bestimmtheit behaupten, daß das zwei verschiedene Stoffe, jener Wolle, dieser Leinwand sei; oft hat es sogar den Anschein, als seien nur zweierlei Qualitäten desselben Materials, eine feinere, dünnere und eine gröbere, dickere damit gemeint. Doch erweisen die häufige Anwendung der Leinwand die gerade in der ältern Kunst so gewöhnlichen, regelmäßigen Zickzackfalten, die wir oben be- fprochen haben und die wesentlich nur im Linnenstoff durch künstliche Mittel hervorgebracht werden konnten. Wenn wir in den archaischen Denkmälern sehr oft auf durchsichtige Gewänder stoßen, welche die Formen des Körpers vollständig durchschimmern lassen, so sind wir deshalb doch schwerlich berechtigt, einen sehr verbreiteten Gebrauch wirklich durchsichtiger Gewänder für jene Zeit vorauszusetzen. Wenn auch schon damals solche dünne Stoffe im Gebrauch sein mochten, so beruht ihre so ausgedehnte Verwendung in den Vasengemälden doch wohl mehr darauf, daß die Maler in ihrem Unvermögen, Formen und Bewegungen des Körpers auch in der Gewandung hervortreten zu lasfeu, andrerseits aber doch in dem Bestreben, dieselben nicht ganz lind gar durch die Gewandung zu verdecken, eben dies als Auskunftsmittel wählten, daß sie die Körperformen durch den Kleiderstoff durchschimmern ließen. In der Tracht der Hetären waren freilich diese musselinartigen Gewebe immer beliebt; eine anstündige Frau machte davon höchstens für Unterkleider Gebranch. Daß aber auch da die Mode mitsprechen möchte, können wir daraus schließen, daß die