Die Mode im alten Griechenland.
Von Hugo Blümner.
(Schluß.)
leichzcitig damit, daß die Größe des Bausches auf ein bescheidnes Maß zurückgeführt und die durch denselben gebildete Linie in harmonisches Verhältnis zur Linie des Überschlages gesetzt wird, schwindet anch eine andre Eigentümlichkeit der älteren Tracht, welche jedem, der einmal altertümliche Bildwerke in Skulptur oder Malerei gesehen hat, aufgefallen sein wird: der Brauch nämlich, die unteren, herabhängenden Ränder der Kleider, am Überschlag vornehmlich, aber auch am eigentlichen Chiton selbst, in großen Ecken auszuschnciden und längs der Seiten der durch diese Einschnitte entstandenen Winkel lauter kleine regelmäßige Zickzackfalten hervorzubringen, welche sicherlich, worin ich Böhlau vollkommen beistimmen muß, nur durch künstliche Mittel, als Brenneisen, Stärken, Pressen und Aufnähen, zu erzielen waren. Man darf diese ganz symmetrisch fallenden, mit peinlicher Sorgfalt einander korrespondirende Faltenzüge in den Bildwerken sicherlich nicht bloß als eine Folge des archaischen Kunststiles, welcher darin von der wirklichen Tracht sich entfernt oder dieselbe in übertriebeu zierlicher Weise zum Ausdruck gebracht hätte, betrachten; hier haben wir offenbar Nachahmung einer gar mühselig uud kunstvoll gefalteten, gesteiften und geplätteten Garderobe, was nmsomehr durch die Beobachtung bestätigt wird, daß diese regelmäßigen Falten ganz vornehmlich an denjenigen Teilen der Kleidung hervortreten, welche man als leinene, demnach zum Stärken geeignete zu betrachten hat, dagegen viel weniger oder auch garnicht an den Teilen, welche durch die ganze BeHandlungsweise sich als Wollenstoffe kennzeichnen. Es ist schwerlich zu weit ge- gcmgen, wenn Böhlau (der im übrigen in seiner Darstellung des Wechsels der Mode von meiner Auffassung meist sehr wesentlich abweicht) auf Grund einiger Denkmäler annimmt, daß bisweilen solche künstliche Falten sogar direkt besonders gearbeitet und dem Gewände aufgenäht worden sind.
Zu der im vorhergehenden beschriebenen Tracht treten nun selbstverständlich ebenfalls noch Oberkleider oder mantelartige Kleidungsstücke hinzu. Die Art, diesen Mantel zn tragen, ist aber wiederum sehr mannichfaltig. Zunächst wird er häufig ganz in der oben beschriebenen Weise als Unischlagetuch be- haudelt, sodaß zwei Zipfel vorn über die Schnltern herabfallen, und zwar ent-
Grenzboten I. 1885. S8