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Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst : 3. Chodowiecki an Nicolai.
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Aneedvte von Chodowieeki.

Der berühmte Daniel Chodowieeki hatte bereits die Kupfer zu den erste» Theilen des Sebcildus Nothanker gestochen, als er bey dem letzten Theile sich Gewissenszweifel machte, ob er mit dieser Arbeit fortfahren solle oder nicht? Nicvlai hatte ihm die Handschrift mitgetheilt, damit der Künstler die Situationen, welche durch einen Kupferstich dargestellt werden sollten, sich desto lebhafter denken könne. Wahrscheinlich mogte Chodowieeki zwar mündlich dein Verfasser gesagt haben, warum er Bedenken trage, ferner für dieses Werk zu arbeiten, allein da dieß bey Nsievlaij nicht die gewünschte Wirkung gethan hatte, so schrieb er an ihn folgenden Brief, an dem bloß die Fehler gegen die Sprachrichtigkeit und Recht­schreibung geändert worden sind.

Ich biu warlich sehr betrübt, daß ich Ihnen nicht helfen kann; ich habe etliche Male die mir anstößigen Stellen gelesen. Weuu ich die Blätter aus der Hand lege, deucht es mir, ich thue Ihnen Unrecht, und alles, was Sie zu Ihrer Recht­fertigung sagten, scheinet mir wahr und richtig; wenn ich sie aber von neuem lese, verschwindet alles dieses, und ich finde nur Gelegenheit, zu tausenderley widrigeu und gefährlichen Ausstellungen. Ich finde in Ihren Ansdrttcken zu viel beißendes, bitteres und spottendes, wenn von der Religion und der h. Schrift die Rede ist, und die Lehrer derselben können Sie dnrch das ganze Werk nicht genug heruuter setzen, den einzigen Alkmarer") ausgenommen.

Sie halten dafür: Es sey Niemand mehr so einfältig, die übernatürliche Einblasung der heiligen Bücher zu glauben. Ich glaube sie auch uicht so, wie Sie dieses Wort auslegen. Aber daß etwas übernatürliches bei Stiftung der christlichen Religion, wovon diese Bücher Folgen sind, vorgegangen, ist, das kann doch uicht geläuguet werden. Was waren die ersten Prediger des Christenthums? Waren es nicht ganz gemeine Leute? Fischer, Zöllner; u. dergl.? Waren sie nicht zu der Zeit, da Christus noch mit thuen auf Erden war, einfältige, furcht­same, und mit Vorurtheilen behaftete Menschen? Flohen sie nicht alle, da Christus gefangen wurde? Verleugnet Petrns ihn nicht? Hielten sie sich nicht verschlossen aus Furcht vor den Juden? Nach dem Pfingstfest aber, oder nach der Nusgießuug des h. Geistes über sie, wurden sie erst, was sie werden sollten. Mit welcher Glaubhaftigkeit redete Petrus nun nicht mit dem ganzen versammelten Volke? Was für eine Folge hatte seine Rede nicht! Wurden er und die andern Apostel vvn dieser Zeit an nicht ganz andre Menschen? War nun eiu Wunder an ihnen geschehen, so mußte ja dieses Wunder Einfluß auf ihr ganzes folgendes Leben haben, und was sie geschrieben habe», kaun man, ohne die Nothwendigkeit eines jedesmal neue« Wuuders, als Schriften von mehr als gemeinen vernüuftigcu Leuten nusehen. Ich halte dafür, es ge­hörte uoch mehr als Veruuuft dazu, die Bücher zu schreiben, die sie uns hinterlassen haben, sonst hätten die gelehrten Männer, die vor ihnen gelebt, und die weit mehr natürliche Vernunft hatten als diese, auch so schreiben können."") Was Weren-

nuuueu deutscheu Bibliothek" bekannt mache. Auch die Kupferstiche und Radirnngen andrer Künstler nach Zeichnungen ChvdvivieckiS sind iu diesen Verzeichnissen berücksichtigt.

") Gemeint ist der Pfarrer vvn Alkmaar, welcher, olnvvhl streng orthodox gesinnt, dvch den schiffbrüchigen Sebcildus in seinem Hause aufnimmt und ihn später in Amsterdam aus den Händen des Seelenverkäufers rettet.

6*) SebnlduS Nothanker, III. S. S9 u. 60:Man setzet immer die Vernunft der Offenbarung entgegen. Dies mag der nöthig finden, der an eine unerklärliche Thevpneostie glanbt. Ich hoffc'aber, es sey niemand mehr sv einfältig, sich einzubilden, Gatt hnbe die