Der Richter von Zalamea.
BW
>-^MM
ie Aussührnngen von Calderons Richter von Zalainea in der Wilbrandt sehen Übersetzung nnd Bearbeitung, die gegenwärtig auf den bedeutendsten deutschen Bühnen stattfinden, find ein Theaterereiguis von solchem Range, daß eine kritische Würdigung dieses Meisterwerkes der spanischen Dichtkunst wohl auch an dieser Stelle nicht ganz überflüssig ist. So viel auch schon über Calderon und die Haupterzeuguifsc seines fruchtbaren Schaffens geschrieben worden ist, so ist doch die Tageskritik, die hier allein zum Worte kommen soll, in der Lage, sich anders auszusprechen als die literarhistorische Betrachtungsweise. Während es dieser obliegt, die poetischen Produkte der Vergangenheit im Zusammenhange mit ihrer Zeit und als abhängig von vorhergegangenen Bildungs- epochen zu erklären, hat der Tageskritiker das Recht, solche Dichtungen lediglich vom Standpunkte der Gegenwart aus zu beurteilen, der sie als etwas neues, oder wenigstens als etwas, das wie ein Neues aufs neue wirken soll, wieder vorgeführt werden.
Der erste Eindruck, den wir von dem Caldervnschen Drama empfingen, war ein geradezu überwältigender. Alles, was an diesem Werke im engern Sinne Knnst ist, erscheint vollendet. Um zunächst das äußerlichste zn erwähnen: welche Beherrschung der Bühne! Und — wir müssen das gleich hier einschalten die Wilbraudtsche Bearbeitung gereicht gerade in dieser Hinsicht dem spanischen Originale nicht durchgängig zum Vorteil. Die an sich so häßliche Zweiteilung der Bühne im ganzen zweiten Akte, von der Calderon nichts weiß, wirkt sehr störend und konnte überdies, wenn auch der größer» Szcneueinhcit zuliebe geändert werden mußte, doch vielleicht vermieden werden. Ferner welcher Aufbau der Handlung! Eine Komposition von beinahe mathematischer Eleganz und Korrektheit, eiufach und klar bei dem größten Überflüsse in den Einzelheiten! Dabei diese Charakteristik, die sich Zug für Zug an der mit der sichersten Meisterhand geführten Handlung entwickelt; eine Fülle von Geist und Witz, von Lebensweisheit und Erfahrung in Worten und Situationen! Alles dieses und mehr noch zeigt uns hier die kunstvolle Arbeit eines Dramatikers, der sich als solcher getrost zwischen Shakespeare und Molierc niederlassen darf.