Aufsatz 
Seite
3
Einzelbild herunterladen
 

zusammengeführtes, ziemlich färb- und richtnngslvscs Allerlei von Aufsätzen zeigten, unter denen seltsamerweise Geschichte und Kulturgeschichte dominirten, sind diese Gebiete seit 1879 planvoll erweitert und von einem sehr deutlich aus­geprägte« Standpunkte aus gepflegt worden. Zu litcratur- und kuustgeschicht- lichcn Aufsätzen, die teils auf selbständigen Studien beruhten, teils an wichtige neucrschiencne Werke sich anlehnten, gesellten sich in immer größerer Anzahl Charakteristiken lebender Schriftsteller und Künstler, eingehende Besprechungen nener Dichtungen und Kunstwerke, Geschichte und Kulturgeschichte, Erd- und Völkerkunde und Naturwissenschaft konnten selbstverständlich keine planmäßige Pflege finden, wurden aber stets berücksichtigt, so oft wichtige Tagesfragen oder hervorragende litcrarische Neuigkeiten dcizn aufforderten. Daneben sind auch religiöse und philosophische Fragen, Fragen, die das Unterrichtswesen, das Heer­wesen, die Rechtspflege, die Gesundheitspflege betreffen, fort und fort in den Kreis der Betrachtung gezogen worden. Das Ziel aber, das die Grenzboten bei alledcm unverrückt im Auge gehabt haben und dessen beharrliche Verfolgung ihnen einen immer größeren Kreis von Freunden und Verehrern zugeführt hat, bestand darin, überall dem gesunden Menschenverstände gegen Modethorheiten, dem guten Geschmack gegen weitverbreitete Geschmacksverirrung, dem Echten und Bleibenden gegen das Hohle und Schwindelhafte, dem in deu engen Kreisen der geistigen Aristokratie Gewürdigten gegen das von der urteilslvsen großen Masse Angestaunte, der Wissenschaft gegen das Dilettantentum, dem Idealis­mus gegen den Materialismus zum Siege zu verhelfen. Wie oft haben die Grenzboten in diesem Kampse allein gestanden, wie oft aber auch die Genug­thuung gehabt, den Ton anzugeben, in den andre dann zögernd einstimmten!

Ein großer Vorzug, den die Grenzboten für sich in Anspruch nehmen, und der von allen Urteilsfähigen auch als solcher anerkannt wird, ist die abso­lute grammatische Sauberkeit und stilistische Sicherheit aller ihrer Beiträge, Angesichts der kläglichen Unwissenheit, Lüderlichkeit und Geschmacklosigkeit, die gegenwärtig in der Sprachbchandluug der Tcigespresfe herrscht, und die von dort aus infolge der leidigen gedankenlosen Gewohnheit massenhaft auch schon in die Sprache der fachwissenschaftlichen und zum Teil selbst der schönwissen­schaftlichen Literatur eingedrungen ist, ist es sicherlich hoch anzuschlagen, wenn eine Zeitschrift die Pflege der Nichtigkeit, Reinheit und Schönheit der Sprache mit vollem Bewußtsein unter ihre Aufgaben zählt.

Endlich noch eine Bemerkung. Die meisten unsrer Wochen- und Monats­schriften legen ein großes Gewicht ans Namen. Wie sie bei jedem Jahreswechsel ihren Lesern ein schönes Verzeichnis angeblicher Mitarbeiter vorführen, stellen sie auch in den Juhaltsverzeichnisfen der einzelnen Hefte sehr charakteristisch! die Verfassernamen immer fett voran und lassen die Überschriften der Aufsätze mit kleinerer Schrift folgen. Die Namen sollen Eindruck machen! Die Grenz­boten verschmähen es, mit solchen Mitteln auf ihre Leser zu wirken. Wenn ein Aufsatz eine Wahrheit ausspricht, die noch nirgends ausgesprochen worden