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Guiseppe Garibaldi.
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und Victor Hugo. Die glühende Lebhaftigkeit seiner Empfinduugen, die schwärme­rische Begeisterung für seine Ideale ließen ihn auch selbst zum Dichter werden. Die meisten seiner poetischen Produkte sind Mannskript geblieben; die wenigen, welche uns gedruckt vorliegen, politische Reflexionen, patriotische Hymnen nnd Kriegslieder, zum Teil schwungvoll und nicht ohne Fvrmgewandtheit, zum Teil allerdings auch nur gereimte Prosa, meist allznbvmbnstisch im Ausdrucke, können auf höher» poetischen Wert so wenig Anspruch erheben wie die drei Romane,*) die er verfaßte, als ihm die Welt , Thaten verschlossen war, nicht nur, um einem seelischen Bedürfnisse zu geniigen, sondern auch, um mit dem Erlöse der­selben die materiellen Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen. Von künstlerischer Komposition, von organischem Anfban ist darin keine Rede. Er feiert seine Ideale in schwnngvollen Dithyramben und malt die Verhältnisse der wirklichen Welt in den düstersten Farben. Die Schicksale unglücklicher Idealisten beider Geschlechter, die im Kampfe mit dem eisernen Zeitalter ein tragisches Ende finden, bilden das stets wiederkehrende Grnndthema. Dieselbe glühende Vaterlandsliebe, dieselbe Freiheits- und Gleichheitsschwärmerei, dieselbe vollständige Verkennung oder doch durchaus einseitige Anffasfung nicht nur der thatsächlichen Verhältnisse, sondern der Grundbedingungen des gesellschaftlichen nnd Staatslebens überhaupt tritt uns hier ebenso entgegen wie in dem ganzen Leben des Mannes. Selbst­erlebtes nnd Erfahrenes, wie die Freischaarcnkämpse, die er mitgemacht und ge­leitet, schildert er in frischen, lebenswahren Zügen, nicht minder die Natur, dereu Schönheit nnd Gabenfülle er mit leuchtenden Farben malt. Der Ansdrnck ist ungleich; wie in seinen Gedichteil entartet die schwungvolle Diktion nicht selten zu bombastischem Schwulst, während sie nn andern Stellen zu platter Prosa herabsinkt. Die Liternturgeschichte wird ihn nicht zu ihren Klassikern zählen, aber für die Charakteristik des Verfassers, der in ihnen die Aspirationen, die Anschauungen nnd Ideale seines Innern niederlegte, sind sie von hoher Be­deutung.

Ein italienischer Phrenologe hat, wie uus Francesco Crispi erzählt,**) Gari- bnldi 1861 auf Capreraphysisch studirt" und gefunden, daß seine Schädel- bilduug eine höchst seltne, ja einzige Erscheinung darbiete: die vollkommene Har­monie aller Organe, die mathematische Resultante des ganzen, welche vor allem Selbstverleugnung anzeige, daneben überall Klugheit, Kaltblütigkeit, uatürlichc Sittenstrenge, fast beständige Meditation, ernste nnd klare Beredsamkeit, domi- nirende Loyalität. Wir wissen nicht, mit welchem Rechte der italienische Ge­lehrte die seelischen Eigenschaften, die er an Garibaldi kannte oder zu kennen glaubte, aus seinen Messungen herauskonstrnirt hat. Jedenfalls war Garibnldi

(AoUiz,, ovvsro il ^ovorno <tc>1 liionaoo; Ls,ntoni, II volonwrio (beide 1870 erschienen); I Nillo (die Tausend vvn Marsala, 1874).

*) Crispi, Giuseppe Garibaldi. In Nr. 171 seines Organs, der Nifvrmn, v»n 1832; ursprünglich veröffentlicht in der Nuovu. ^ntalogi».