Neue Dichtungen.
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diesen herrschen zu können, hat etwas Gesuchtes. Überdies rückt Nillot dadurch von vornherein in eine wenig günstige Beleuchtung und thut auch wenig, um sich von einer bessern Seite zu zeigen; er bleibt ein Spielball in den Händen andrer. Anstatt aus den Widersprüchen seiner Gefühle durch kraftvollen Entschluß einen Ausweg zu suchen, schwankt er ratlos hin und her, von allen Seiten schmählich zurückgestoßen, sodaß er mehr unser Bedauern als unsre Teilnahme erweckt.
Audre Gestalten, wie der finstre Radoslaus (dessen Namen der Verfasser immer viersilbig braucht), die Zauberin Jutta, sind schärfer gezeichnet. Auch einzelne Schilderungen sind recht ansprechend, so gleich die im ersten Gesang, die das Begräbnis des verstorbenen Königs und die Wahl des neuen und den Schauplatz dieser Vorgänge, das Jnselgewirr des Spreewaldes, in anmutig fließender Sprache vorführt. Überhaupt handhabt der Dichter den fünffüßigen Trochäus, der freilich keine großen Schwierigkeiten bietet, mit ziemlicher Gewandtheit. Hoffentlich läßt er sich uicht durch diese Geschicklichkeit zu allzuschnellen Hervvrbringungen verleiten, sondern gönnt sich Zeit, seine Anschauungen zu erweitern, zu befestige« uud zu klären, damit sich der Glätte Klarheit, Kraft und Tiefe geselle.
Außer den beiden eben besprochenen Büchern hat sich jüngst auch wieder eines jener feinen, mit flimmerndem Goldrnhmen umzogenen roten Kalbleder- bändchen bei uns eingefuudeu, deren Erscheinen für unsre Vorstellung uuzer- trennlich mit dem Namen Baumbach verknüpft ist. In der That: es ist ein neues Liederbändchen von Rudolf Baumbach: Von der Landstraße (Leipzig, Liebeskind. 1882). Das wievielte? Wir müssen uns besinnen. Nummer eins waren, wenn wir nicht irren, die „Lieder eines fahrenden Gesellen," dann kamen die „Neueu Lieder eines fahrenden Gesellen," darauf die „Spielmannslieder," dann die Sammlung „Mein Frühjahr," und nun schließen sich die Lieder „Von der Landstraße" an. also Nnmmer fünf. Und dabei hat es den Anschem, als vb wir noch nicht zu Ende wären, sondern noch mancherlei zu erwarten hätten, denn wenn auch unser lnstiger Vagante in seinem neuesten Bäudchcn selber gesteht:
Weist nicht, wie viel ich Lieder sang, Zn zählen sind sie nimmer,
so fügt er doch gleich iu der nächsten Strophe hinzu:
Mein schönstes Lied, mein hohes Lied, Das ist noch ungeboren,
und da er dieses „schönste Lied," wenn es ans dem Ei geschlüpft sein wird, schwerlich einzeln iu die Welt senden wird, so können wir mindestens auf ein sechstes Liederbäudchen schou jetzt mit Sicherheit rechneu.
Vaumbach kann und wird sich nicht beschweren, daß die „Grenzboten" seinem liebenswürdigen Talente jemals die ihm gebührende Anerkennung ver-