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Das Mädchen von Tisza - cLszlcrr.
habe, er werde ihn brotlos machen nnd fortjagen; diese Drohung habe ihn umsvmehr erschreckt, als er gehört habe, von Havas sei^ der Schwiegersohn des Oberstaatsanwalts von Kvzma, der über das Wachtpersonal der königlichen Gerichte unbeschränkt verfüge nnd dem es daher ein leichtes sei, ihn um seine Stelle zu bringen. „Wer hat Ihnen diese Uniform gegeben?" habe ihn der Staatsanwnlt gefragt und hinzugefügt: „Nun, ich werde Ihnen diese Uniform wieder abnehmen, wenn Sie nicht so aussagen, wie ich will, nämlich die Wahrheit." Da habe Karauesai aus Furcht über die Folgen seiner Weigerung geantwortet: „Schreiben Sie in das Protokoll, was Sie wollen, ich unterschreibe alles, was Enre Guadeu, Herr Staatsanwalt, wollen!" Auf den hierüber erstatteten Bericht hat der Justizminister vr. Pauler die Untersuchung gegen den Staatsanwalt von Havas eingeleitet. Seitdem konnte man in den semitischen Zeitungen fast täglich lesen, die Stellung des Jnstizministers Dr. Pauler sei erschüttert und sein baldiger Rücktritt zu erwarten. Er scheint ihnen aber vorläufig diesen Gefallen nicht zn thun.
Man sieht, was von dieser Seite alles versucht wird, um diejenigen Personen aus ihrer Stellung zu drängen, welche der Untersuchung freien Lauf lassen wollen. Vor allem möchte man den äußerst unbequemen Untersuchungrichter weg haben. Es ist gewiß eine ebenso merkwürdige als widerwärtige Erscheinung, daß eine Sippschaft vou Leuten, gegen welche amtlich die Untersuchung auf Mord, ans Beihilfe zum Morde, auf Leichenschändung u. s. w. eingeleitet ist, in weiten Schichten solche Sympathien findet, daß man geradezu für sie, fast offen, Partei ergreift, wie das für den Schächter von Tisza-Eszlnr und Genossen der Fall ist. Anderwärts hält sich bei einem Morde alles zurück und wünscht, das; die Wahrheit ans Licht komme; hier sind vierzig bis fünfzig Personen bei einem der in Frage kommenden Verbrechen beteiligt, aber die Untersuchuug kommt nur laugsam vorwärts, weil sogar der Staatsauwalt allem Anscheine nach nicht die Entdeckung der Wahrheit wünscht, sondern die Untersuchuug niederschlage» oder in andre Hände bringen möchte. Wenu die ganze Judeuschaft so leideuschaft- lich Partei ergreift uud deu Verteidigern solche Mittel zur Verfügung stellt, dann muß sie doch glauben, an dem Ausgange des Prozesses sehr intcressirt zn sein. Bei keiner andern Mordthat nimmt für die Mörder und ihre Helfershelfer irgend jemand Partei oder fragt nach seiner Religion; einem Mörder gegenüber fühlt sich sonst die ganze Menschheit solidarisch nnd macht nur den humanen Standpunkt geltend. Und hier?
Wenn sonst sich etwas außerordentliches ereignet oder etwas, das der herrschenden Partei in der Presse uubequem ist, dann wird gewöhnlich das neunzehnte Jahrhundert angerufen, um von der betreffenden Ungeheuerlichkeit Kenntnis zu nehmeu. Wenn aber die Nachricht kommt, daß die dringendsten Verdachtsmomente vorliegen für ein Verbrechen, gegen welches alle Verbrechen dieses Jahrhnnderts nur Stümpereien sind, daß eine Religionsgemeinschaft im neun-