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politische Briefe.
letzte Glied. Oir n<z äötrnit siiW^iK eine <z<z l'oir r6nrvln,os. Was soll cm die Stelle des übel verpflanzten und niemals mit gutem Erfolg zu verpflanzenden englischen Parlamentarismus treten? Die freie Bewegung des öffentlichen Geistes will uiemcmd hemmen, und damit gestehen anch alle zu, daß dieser Geist durch ein Zentralorgan mit der Regierung in Verbiudung stehen müsse. Die richtige Form dieser Verbiudnug für Deutschland — für die cmderu Länder kümmert sie uus uicht — ist noch nicht gefunden. Unsere Flugschrift zeigt vortrefflich, wie der Wahu, deu englischen Parlamentarismus uud nur diesen handhaben zn können, wenn auch nnter augenblicklich noch nicht überwundenen Hemmungen, nnscr parlamentarisches Lebeil verwirrt uud unfruchtbar macht. Die schlimmste Folge dieses Wahnes hebt die Flugschrift nicht hervor, uud wir wollen es in der Kürze thun. Weil die deutschen Parlnmeutarier sich keinen lebensfähigen Parlamentarismus denken können als den englischen, so sind alle ihre Bestrebungen bald mehr bald minder bewußt darauf gerichtet, die Macht des englischeil Parlaments durch mechanische Mittel zn erobern, welche das letztere teils nicht besitzt, teils uicht nnwendet, soweit es sie besitzt. Es besitzt kein Stenerver- weigernngsrecht, nnd der Gedanke, das Disziplinargesetz des Heeres anßer Kraft zu setzen, kommt bei der jährlichen Bestätigung dieses Gesetzes nie in Frage. Das Strebe» nach diesem und ähnlichen mechanischen Machtmitteln, deren Besitz einer bei unsern Verhältnissen der unberechenbarsten Dinge fähigen Majorität überliefert werdcu müßte, ist die direkt gefährlichste Seite unsres Parlamentarismus. Eine audre schlimme Seite, welche unsre Flugschrift desto deutlicher hervorhebt, besieht darin, daß man bei der Kritik der Vorlagen niemals von dem i^taatsbesten ausgeht, souderu davou, ob die Macht der Regierung vermehrt wird, ob die Erlangung des Stenerverweigerungsrechts hinausgeschoben, ob die Mißtrauensvoten, welche die Wirkung von Entlastungsdekreten haben sollen, noch mehr in Gefahr kommen, an der Stärke der Regierung abzuprallen u. f. w.
Allein — dies müssen wir einräumen — damit, daß der deutsche Parlamentarismus auf dieses Bestreben verzichtete, würde er gewiß einen Weg verlassen, auf dein kein gesnndes Vorwärtskommen möglich ist, aber der richtige Weg wäre damit noch nicht gefunden. Im allgemeinen liegt die Richtnng vor Augen, aber mit der Nichtnug hat man noch nicht den Pfad. Die wahre Richtung, welche dem Parlamentarismus zu geben wäre, ist das Streben nach der denkbar größten Macht des Parlaments, aber allein durch moralische Mittel im Gegensatz zn den mechanischen. Also keine künstliche Agitation, keine Bestricknng der öffentlichen Meinung, keine Zugeständnisse an ihre Trägheit oder ihre Vorurteile, sondern die Erziehung des öffentlichen Geistes zur sachlichsten Anschauung. Keine Regierung wird anders können, als einem solchen Parlament folgen, wenn sie nicht in der Lagc ist, es intelleetnell und moralisch zn leiten. Aber wie diesen Geist in das Parlament bringen? Der abstrakte gute Wille, auch weuu er sich mit einem Male hervorrufen ließe, thut eS uicht. Es handelt sich darnm, den Pfad zn finden, der uus vielleicht vor deu Füßen liegt, ohne daß wir ihn seyen, wie es oft ans der Wanderschaft geht. Es lassen sich indeß schon mehrere Pfade erkennen, nnter denen es darauf ankommt den einzig oder wenigstens am leichtesten zum Ziele führenden herauszufinden.