Epilog zum Zparsifcil.
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durfte es eine der wichtigsten Aufgaben der Musik sein, uns vvn der Mifere der Alltagswclt zu löseu uud alllilnhlich iu die wünschenswerte, den Knnsteindrücken günstige Stiuunung zn versetzen. Am ersten wird ihr das gelingen, wenn sie uns von vornherein nicht zu viel zumutet und uns nicht mit zu großen Prütensionen gege»lübertritt.
Man kann nicht leugueu, daß im „Parsifnl" sich einzelne Tonmalereien finden, die von der Kunst Wagners, lyrische Stimmungsbilder zn schaffen, einen überzeugenden Beweis liefern. Aber was will das gegenüber den vielen trostlos öden Stellen heißen? Muß mau sich bei dieser ausgebanschten und ausdringlichen Orchesterbegleitnng, die uur zu verstehe» ist, weuu man den Klavierauszug uud das Programm zur Hand hat, nicht nnwillkürlich daran erinnern, daß auch Beethoven eine Oper schrieb, in der das Orchester ganz entsprechend zn Worte kommt und doch auch der Gesang sein Recht behält? Oder besteht kein Unterschied zwischen einem Weberschen und einem Rossinischcn Aecompagnement? Nenne man eine Begleitung zu einem Mozartschen Gesangstücke, die nicht charakteristisch wäre, dem Textinhalt stets entspräche, fließend und faßbar und zugleich vielsagend und bescheiden. Schwindle man doch dem Pnbliknm nicht ungehenerliche Dinge vvr! Wenn Wagner zn singen, melodisch zn gestalten, einfach zn empfinden wüßte, er würde gewiß nicht den Schwerpunkt seiner Opern ins Orchester verlegen und der Welt vvrzugaukelu suchen, daß das Verkehrte richtig sei. Hinter diesem aufgedonnerten Jnstrumentalgewvge birgt er seine, sür einen Opernkom- pvmsten empfindlichste Schwäche. Das Orchester kann dem Gesänge gegenüber stets nnr eine untergeordnete Stellung einnehmen. Wo es übermüßig hervortritt (uud dafür liefern gerade Wagners Opern die schlagendsten Beweise), vernichtet es jede Wirkung des Gesanges, benachteiligt die Aufmerksamkeit uud deu Gennß des Hörers und verschleppt in unerträglicher Weise den Gang der Handlung. Nnr völliges Unverständnis oder böswillige Verranntheit kann diese Kapitalmangel beschönigen und verteidigen wollen. Allerdings werden die exklusiven Anhänger des „Meisters," deuen jedes Verständnis für den Adel nnd die Größe unsrer erhabensten Tvnschöpfer abgeht, nie die Schwächen und Irrtümer desselben zugeben. Für sie ist er der Dalai-Lama nnd wenn es irgend anginge, Würden sie ihn verehren wie die Tibetaner ihren Papst. Abgötterei treiben sie wenigstens geilug mit ihm.
(Schluß folgt.)
Grcuzbolcu IV. 1882.