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Epilog zu Parsifal.
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Epilog zum Parsifal.

deren so viele schrieb, noch ein in den süßesten Tönen nnd tiefsten Empfindungen schwelgendes Adagio wie Beethoven, weder ein einem zauberischen Feenreigen gleichendes Scherzo wie Mendelssohn, noch ein gemütvoll humoristisches Menuett wie Haydn, hat uns derMeister" geschrieben. Warum aber gab der große Orchesterkcnner, der Mcmn, der jedem Touwerkzeuge seine geheimsten Laute ab­zulauschen wnßte, der stundenlange Jllustrationeu zu theatralischem Handlungen schrieb, nicht einmal anch eine Symphonie, mit der er sich über Beethoven oder Schumann Hinansschwang? Der nächste Grnnd dafür dürfte doch wohl nur in der Einseitigkeit seiner Begabung zu suchen sein, und darin, daß ihm der feinere und ausgebildcterc Formensinn, den ein solches Werk voraussetzt, vollständig sehlt, daß ihm ferner die Kunst mangelt, ein prägnantes, einfach gegliedertes und doch ausdrucksvolles Thema zu bilden und klar, einfach und naturgemäß zu entwickeln, mit kurzen Worten, daß er nicht imstande ist, einen breitangelegten, gesetzmäßig konstruirten Bau aufzuführen. Bei dem grenzenlosen Ehrgeize Wagners uud im Hinblick darauf, daß sich mit derartigen Kompositionen auch ganz lukrative Geschäfte machen ließen, bliebe eine solche Verzichtleistung ganz unerklärlich, wenn ihm nicht die geistigen Vorbedingungen zu einer derartigen Arbeit fehlten- Und dieser Tvnsetzer, der sich in richtiger Erkenntnis seiner Schwäche wohl hütet, in größeren selbständigen Orchesterwerken sich zu versuchen, wird nun als derjenige gepriesen, der dem Orchester eine neue Sprache gelehrt und es zu seinen vollendetsten Leistungen und höchsten Kundgebungen emporgehoben habe. Abgesehen davon, daß in jeder Oper der Gesang und eine naturgemäße uud saugbare Melodik stets die erste und wichtigste Rolle spielen muß, und daß gerade in diesem Kardinalpunkte die Wagnerschen Opern alles zu wünschen übrig lassen, ist das, was als Inhalt des instrumentalen Teiles hier geboten wird, wenn auch uicht gerade zusammenhanglos, da ja unausgesetzt die gleichen Grund­gedanken sich wiederholen, so doch nur eiue sich von jeder Ordnung und Forin loslösende, jeder Textbeziehung sklavisch folgende Tonmalerei. Verstehen kann man dieselbe nur (d. h. ahnen, was der Komponist mit seinen vagen Motivverkettnngen beabsichtigt), wenn man mit dein erklärenden Worte in der Hand Takt für Takt dem Orchester folgen kann; nachempfinden läßt sich eine derartige Musik nnr, wenn die Stimmung dazu vollständig vorbereitet nnd ausschließlich auf das vom Komponisten gcwollte und beabsichtigte gerichtet ist. Nach beide» Richtungen geht derMeister" hier von falschen Voraussetzungen aus. Die Instrumental­musik kann mit absoluter Bestimmtheit keine Empfindung, keine Thatsache, keinen Vorgang schildern; ebensowenig dürften sich in wünschenswerter Menge stimmnngs- vvlle Hörer finden lassen, die, wie die Gralsritter, nach Bnßen und Kasteiungen, in Andacht versunken und nach dem himmlischen Gnadenmahle lechzend, dem Theatertcmpel uahen. Es ist ja richtig, man sollte jedem Kunstgenüsse in vor­bereiteter und gehobener Stimmung entgegensehen, aber in dem prosaischen Dasei», das wir zu führen haben und dem wir uns nun einmal nicht entziehen können,