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Die Lage in Frankreich.
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Die Lage in Frankreich.

reise durch die Provinzen unternehmen. Genug, er sehnt sich nach neuen De- putirtenwahlen, er läßt deu prophetischen Ausspruch herumtragen, im Jannar werde die Frage des Listenskrutiniums gelöst sein und zwar zu dessen Gunsten, in Paris empfehlen seine Blätter, in der Provinz seine politischen Freunde ans der Kammer uach Krüftcu diese Äuderung des Wahlverfnhrens und erklären, die Auflösung der jetzigen Volksvertretung sei ganz unumgänglich und stehe nahe bevor.

Im französischen Parlamente sind sonach demnächst harte Kämpfe zu er­warten. Schon wird von hervorragenden liberalen Politikern ans den Pro­vinzen in Paris die Lage gemeinschaftlich besprochen, nnd es hat sich dabei er­geben, daß die Stimmnng gegen Gambetta unter den Kammermitgliedern sich nicht in eiue ihm günstigere verwandelt hat. Aber wenn wir nun auch vermuten dürfen, daß die Geguer des Exministers, gleichviel, welcher Fraktion sie ange­hören mögen, im Parlament zusammenhalten werden, so ist doch nicht recht zu sage», wie es der Koalition möglich seiu wird, gesetzgeberisch fruchtbar zu sein. Frey- cinet wenigstens konnte nur dadurch Reibung und Anseinnnderfall der Liberalen uud Radikalen vermeiden, daß er die wichtigere legislatorische Arbeit hinaus­schob. Er meinte, sich so lange mit Laviren hinhelfen zn können, bis er sich genügend befestigt habe, um die Anhänger Gambettas zn sich herüberziehen und eine gemäßigte Majorität bilden zn können. Die ägyptische Sache hat diesen Plan vereitelt, und heute läßt er sich uicht wohl weiter verfolgen, da nur noch wenige unwichtige Arbeite» von der Kammer zn erledigen sind uud daun die bedentendern, aber auch gefährlichern vorgenommen werde» müsfe». Komme» z. B. Fragen über die Stellung des Staates zur Kirche oder über die Umge­staltung der Magistratur zur Sprache, so zergeht die liberale Vereinigung sofort in zwei Teile. Man hat also uuter den Republikanern drei Fraktionen: Gam- bettisten, Gemäßigte uud Radikale. In gewissen Fällen können die beiden ersten, in andern die beiden letzten sich mit einander verständigen. Das Zusammeiigehe» der Gambettistcn mit den Gemäßigten findet ei» Hindernis an den ersteril, die schon jetzt unannehmbares fordern, weil sie Verwirrung hervorrufen nnd die Kammer zur Auflösung treibeu wollen. Die Verständigung der Gemäßigten mit den Radikalen ist nur möglich, wenn es sich nm Negiren handelt; sobald Positives erstrebt wird, muß sie au inuerm Widerspruch scheitern, sie würde dann unfähig zum Schaffe» seiu uud mit Versumpfung endigen.

Man darf deshalb noch nicht au der Lebensfähigkeit der Republik ver­zweifeln, aber die uächste Zukunft derselben wird kaum erfreuliches bieten. Es sieht ans, als ob ihr in der neuen Session nnr die Wahl gelassen wäre zwischen Verwirruug uud Versumpfung. Jene wird eintreten, wenn den Gambettistcn ihr Ansturm gegen die jetzige Deputirtenkammer glückt, diese, wenn er mißlingt. Bei den Gemäßigten liegt die Entscheidung. Sie haben die dringende Pflicht, zusammenzuhalten und darnach zu streben, daß sich endlich für die politische