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Börse und Publikum. 1.
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Börse und Publikum. 537

Typisch fiir derartige Vorgänge, welche zunächst nur durch das unbegreif­liche Zutrauen des Publikums möglich sind, ist und bleibt der Fall Sachs u. Co., der zugleich den Umfang des Einflusses der Presse auf das große Publikum in erstaunlicher Weise zum Ansdrnck bringt. Derpublizistische" Grundsatz, daß stetige Wiederholung ein nnd derselben Sache und ein und desselben Namens in der Presse wirksam sein müsse, hat sich hier in wahrhaft erschreckender Weise bewahrheitet. Fast in allen Vetrngsfüllen bei Sachs u, Co. konnte die Geschäfts­anknüpfung der einzelnen Personen mit den FrankfurterBankiers" auf die Wir­kung der Anzeige», welche sechs Jahre lang sich in den geleseusteu Blättern unausgesetzt wiederholten, zurückgeführt werden, nnd dasselbe wird die Unter­suchung auch Hinsichtlich des Berliner Falles Levenstein konstatiren.

In finanziellen Dingen wird dies umso gefährlicher, als das Pnbliknm der Wahrnehmung derselben mit einer wahrhaft unverbesserlichen Naivetät gegen­übersteht. Sobald es sich um Anlegung von Geldern handelt, sind die meisten Menschen stets geneigt, sich dem ersten besten, wenn derselbe nnr glaubhaft zu machen versteht, daß er nicht selbst das Geld brauche, sondern dessenvorteil­hafte Anlegung" nur vermitteln wolle, blindlings in die Hände zn geben. Das ungeheure Umsichgreifen des Kommissivns- lind Agentenwesens hat für unsern Geschäfts- und insbesondre auch für den Kapitalverkehr einen förmlichen Nebel geschaffen; uud mir vermöge dieses Nebels sind Dinge, wie sie die Gebrüder Snchs in Frankfurt, Levensteiu und Konsorten in Berlin vollbracht haben, möglich.

Sicher hätte niemand den Gebrüdern Sachs einen Pfennig geborgt, wenn sie angezeigt hätten: Wir brauchen Geld für unsre Spekulationen und snchen solches zu leiheu. Denn dann hätte sicher jeder Geldbesitzer die genauesten Nach­forschungen nach ihnen angestellt, uud er Hütte bald erfahren, daß jene erst nach Frankfurt gekommen waren, nachdem sie im Wiener Krach ebenfalls mit zusammen­gebrochen waren. Ebensowenig hätte Herr Levenstein in Berlin auf dem Wege des Darlehusgesuchs irgend einen nennenswerten Erfolg gehabt. Aber den Ge­brüdern Sachs fiel es nicht ein, Geld bei den Leuten leihen zn wolle»: sie erboten sich lediglich als Sachs u. Co. z»r Besorgung von Geldgeschäften und zwar uueutgeltlicher Besorgung.

Erstaunlich muß es dennoch erscheinen, daß ans einen solchen Köder ein so kolossaler Fischzug gemacht werden konnte. Aber nnch hier sehen wir nnr einen allgemein bemerklichen Zug der Zeit sich grotesk äußcru den Zug, der darauf hinausläuft, alle Arbeit möglichst schlecht, am liebsten gnr nicht zu bezahle». A»ch bei Beforguug finanzieller Geschäfte handelt es sich um mancherlei Geschäfte, die Zeit und Aufwand, also Geld kosten, nnd die darum von den Interessenten zu bezahlen sind. Gerade darum aber gluckte es so mit dem Köder der unentgeltlichen Besorgung. UmErsparnng" eines kleineu Betrages willen, denn es handelt sich in der That bei finanziellen Besorgungen meist nm ver- Grenzbowi III. 1882. 08