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Die Konkurrenz um das Reichstagsgebäude.
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1^0 Die Konkurrenz um das ReichstagsgeKände,

Treppe zu ihm empor. Wenn man vvn der Sommerstraße aus nicht durch den Sitzungssaal gehen will, gelangt man durch zwei seitliche Korridore in das Foyer. Ist diese leichte Zugänglichkeit aber auch an und für sich betrachtet ein Vorzug, so verstößt sie doch gegen eine Programwbestimmuug, welche verlaugt, daß das Foyer zu Festlichkeiten und größereu Kvimnissivnssitznngeu zu beuutzcn sein soll. Das ist bei seiner jetzigen Gestaltung unmöglich, da es von drei Seiten offen ist. Wird es aber geschlossen, so wird der übrige Verkehr, der sich sonst durch das Foyer ergießt, während der Zeit unterbrochen oder doch sehr erschwert. Endlich hat Wallot die Garderobezn beiden Seiten des Sitzungssaales so an­gelegt, daß die Abgeordneten mit Überröcken, Schirmen uud Stöckeu erst das Foyer durchschreiten müsseu, nm ihre Garderobe abzulegen, und dann wieder zurückkehren müssen.,, Es scheint, daß sich die Umarbeitung des Projekts vor­zugsweise auf diese Übelstände zn erstrecken haben wird.

Thiersch hat bei der Gestaltung seines Grundrisses den Hauptfehler dadurch begangen, daß er den Sitznngssnal nicht unter die Kuppel, sondern in die Quer­are uach dem Brandenburger Thor zu verlegt hat. Wohl würde er durch diese Anordnung deil Herren Neichsbvteu ihren täglichen Weg bedeutend abgekürzt haben ; denn die weitaus überwiegende Mehrzahl derselben wird das Haus vom Brandenburger Thore aus betreten. Aber dadurch ist zugleich die Kuppel, welche doch nach außen hin den Kern des Gebäudes, den Sitzungssaal, chnrakterisiren und übergipfeln soll, zu einem bloß dekorativen Schanstück herabgesunken, «sie überdacht jetzt das Foyer, also einen Raum, der innerhalb des ganzen Organis­mus doch nur eine untergeordnete, vorbereitende Bedeutung hat. Auch sonst zeigt der Grundriß eine sehr unregelmäßige, unsymmetrische und nichts weniger als klare Disposition der innern Räume, die zudem aus drei Stockwerke ver­teilt siud. In der mächtigen, sich stolz und schon nnfschwingenden Kuppel scheint sich die schaffende Kraft dieses Architekten völlig erschöpft zu haben. Aber auch sie kommt nicht zn einer völlig reinen Wirkung, weil um dieselbe vier kleine Kllppelthiirme gruppirt sind, welche auf die sonst sehr klar ausgeprägte Höhen- tendcnz gewissermaßen retardireud wirken, weil sie zu dicht nu deu Unterbau der Kuppel gerückt siud. Auch die vier vierseitigen Kuppeln auf den Ecken des Gebäudes rufen keine erfreuliche Wirkung hervor, ebenso wie die Fahnde leine besondern Verdienste auszuweisen hat. So bleibt allein die tülm ailgelegte Knppel, welche das Votnm der Jnry begreiflich macht. Wir kommen also zu dem­selben Schlüsse wie bei dem Entwurse Wallots: Hier der Ausban, dort die Kuppel.

Dnsselbe Resultat würde sich ergeben, wenn wir sämmtliche preisgekrönten Entwürfe durchprüften. Entweder hat eine genial tvmponirte Kuppel den Ans- schlag zu Gnnsten eines Entwurfes gegeben/ oder aber die geringe Höhenent- wicklnng der Knppel hat Entwürfe,'welche in der Fm/.adenanlage nnd m der Grundrißbildung nnnnfechtbar waren, in die zweite nnd dritte Linie hiuabgedrückt. Da nun einmal die Elitscheidung zu Gunsteu Wallvts getroffen und derselbe bereits beschäftigt ist, sein Projekt'iiniznarbeiten, würde es nur einen akademischen Wert haben, auch nur die übrigen preisgekrönten uud angekauften Projekte einer Kritik zu unterziehen, znmnl da sie fast alle eine gewisse Fainilicnähnlichkeit unter einander haben, die wohl znm größten Teile auf das .Wippelmotiv, zum andern Teile auf die Einwirkung der Bvhnstedtschen Fahnde von der großen Konknrreuz zurückzuführen ist. Dadurch ist die Arbeit der Jury so erleichtert worden, daß dieselbe in acht Tagen bewältigt werden kvuute.