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Die Konkurrenz um das Reichstagsgebäude.
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178 Die Konkurrenz ttm dcis Reichstagsgebäude.

über anlegten, welche sich aufs beste für den Zugaug eines Theaters eignen würde. Den Charakter eines Parlameutshanses mit zwingender Deutlichkeit und Klarheit zu betonen, ist übrigens keinem der Konkurrenten recht gelungen, viel­leicht weil unser Parlamentarismus uoch zu juug ist, als daß er bereits eine baukünstlerische Versinnlichung hätte finden können. Die meisten Architekten haben den Gedanken der höchsten beratenden.Körverschaft, welchen wir etwa als den .Kern des Parlamentarismus bezeichnen dürsen, dnrch die Anlage einer ge­waltigen, das Ganze beherrschenden Kuppel zu shmbolisiren versucht. Viele sind dabei sv klug gewesen, diese Kuppel durch die Kaiserkrone abzuschließen, indem sie damit richtig das Verhältnis der höchsten vollziehenden Gewalt zu der höchsten beratenden und beschließenden Körperschaft charakterisirten. Aber die Knppel ist ebenso bezeichnend für eine Kirche und ein Fürstenschloß, also noch keineswegs ausreichend, um ein Parlamentsgebände als solches zn kennzeichnen. Wallvt hat auch das gewöhnliche Motiv einer ovalen oder flachen Knppel aufgegeben und dafür einen viereckigen Anfbau kompvnirt, welcher das Beste und Originellste an seinem Entwürfe ist, aber, wie schon gesagt, dein Beschauer vom Königsplatze aus in einer Verkürznng erscheinen wird, welche die monumentale Wirkung des Ausbaus, wenu eine solche, was wir bezweifeln, an und für sich vorhanden ist, erheblich beeinträchtigt. Dieser mittlere Anfbau, welcher sich aus einem gleich­falls viereckigen Unterban erhebt, ist von zwölf Fensteröffnungen durchbrochen, welche an den vier Seiten derartig grnppirt sind, daß sich an ein mittleres höheres Fenster an jeder Seite ein kleineres rundbogiges anschließt. Das mittlere ist von einem Giebel überhöht und mit plastischem Schmnck überreich ausge­stattet, wie überhaupt der bildnerische Zierrat bei dem Wallotschen EntWurfe eine sehr hervorragende Rolle spielt. Wir glanben »licht, daß diese zahllosen Statnen und Reliefs zur Ausführung kommen werden, zumal da mich sie dazn beitragen, deu invnumentälen Effekt abzuschwächen. Man hat mit Rücksicht auf diese überreichen plastischen Zuthaten nnd die Kleinlichkeit der Fn</adenverhält- nisse den Entwnrf eine Goldschmiede- oder gar eine Zuckerbäckerarbeit genannt, und man kann in der That diese Charakteristik nicht anders als zutreffend nennen. Der Hauptanfban ist noch mit einer vierseitigen, gleichfalls ganz durch­brochenen Laterne gekrönt. Nach dem Sitzungssaale zn, welcher bei Tage durch Seitenlicht erhellt wird, ist der Anfban dnrch eine Glasdecke abgeschlossen. Oberhalb derselben soll des Abends elektrisches Licht brennen, welches nicht nur zur Erlenchtnng des Saales dienen soll, sondern auch noch einen andern Zweck hat. Wallot sagt darüber iu seinen Erläuterungen folgendes:Das durch die Lichtöffnungen des Aufbaues auch nach außen ausströmende Licht soll den ge­treuen Berlinern jederzeit Kunde geben von dem Fleiß nnd der Pflichttreue der Reichsvertreter." Auf dem Unterbau diesesAufbaues" sind nm den letztern vier Spitzsänlen grnppirt, wie sie die deutsche Renaissance bei Giebelkrönungen anzuwenden Pflegte.