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Austriaca.
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Austriaca.

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das Gebiet der Politik ergießt, die Korruption, die ungesunden wirtschaftlichen Verhältnisse, den jede andre Nationalität unterdrückenden Chauvinismus, das Va-danan«-Spiel gegenüber dem slavischen Elemente in Ungarn, dessen Bedeu­tung die Magyaren doch schon 1348 uud 1849 kennen gelernt haben, das An­wachsen jener Parteien, welche die volle Unabhängigkeit Ungarns auf ihre Fahne geschrieben haben, mit kräftigen, leider nur zu wahren Farben schildert, so vermißt man die Beautwortuug der Frage, was Österreich, was die Deutschen in Osterreich zu thuu haben, um dem äußersten Unheil vorzubeugen. Wenn es Koloman Tiszn auch ferner gelingt, seine Landslente im Zaum zu halteu, meint er, so wird alles gut gehen, aber wenn die wilden Elemente Oberwasser gewinnen, das jetzige Band zersprengen, so wird es dabei den Magyaren am übelsten ergchen. Das ist zweifellos. Aber mit solchen Fragezeichen darf sich der Politiker umsoweniger zufrieden geben, als noch mehrere andre eingeschaltet werden müssen. Tisza ist eine mysteriöse Figur; wohin der einstige radikale Gegner Deals steuert, weiß schwerlich jemand. Aber auch angenommen, daß er sich mit seiner Vergangenheit loyal abgefunden habe, so hält er sich doch augenscheinlich nnr durch die äußerste Nachgiebigkeit gegen den magyarischen Chauvinismus; der kann ihm sehr leicht über den Kopf wachsen, nnd so lange die Möglichkeit vorhanden ist, alle zehn Jahre das Verhältnis zu Österreich zu küudigen oder die Erneuerung des Vertrags an nene Zugeständnisse zn knüpfen, ist es Pflicht, sich auch die Eventualität vor Augen zu halten, daß Cisleithcmien endlich der Opfer müde werde. Bis jetzt hat man nngarischerseits darauf los gesündigt, daß Österreich um keinen Preis die bloße Personalunion wiederher­gestellt haben wolle, endlich muß deu vom Größeuwnhu beherrschten Magyaren gezeigt werden, daß man geneigt sei, ihnen im äußersten Falle ihren Willen zu lassen. Die Operation würde für die westliche Hälfte des Reiches schmerzlich, aber keineswegs so gefährlich sein wie für die östliche, und sie wird unver­meidlich, wenn die vernünftigen Leute in Ungarn sich allen Tollheiten der Un­vernünftigen fügen. Die Wirtschaft in Pest ist eine Illustration zu deu Idealen der Fortschrittler aller Länder, wie sie gar nicht besser verlangt werden kann. Da ist Freiheit, da dekretirt das souveräne Volk dnrch Abgeordnete, welche seinen kindischen Leidenschaften am unverschämtesten schmeicheln, nnd da wagen die Männer, welche w c^rner-z. den Unsinn erkennen nnd beklagen, aus Populari­tätssucht uicht, energisch gegen die Schwindler uud Phrasenmacher aufzutreten. Da wird der Segen des Parlamentarismus acl ovnlos demoustrirt!

Mit dem Parlamentarismus iu Österreich beschäftigt sich der dritte Ab­schnitt des Bnches. Wie zu erwarten war, verschließt der Verfasser nicht die Augen gegeu die untröstlichen Ergebnisse des parlamentarischen Regimes, nnd wenn er die Pillen, die er seinen Parteigenossen reicht, zu vergolden nnd zu verzuckern bemüht ist, so läßt sich das begreifen. Aber seine Untersuchungen müssen unbefriedigend bleiben, weil er, wie das gebräuchlich ist, nicht nur Kon-