Austriaca.
s war sehr unvorsichtig von dem deutschen Reichskanzler, nachdem er soeben erst erfahren hatte, daß man nicht ungestraft die edelsten Elemente einer Nation (zn welchen die Tabakshändler gewiß gehören) in ihren heiligsten Interessen verletzt, auch noch dem fortgeschrittenen österreichischen Liberalismus so unverblümt die Wahrheit zu sagen. Denn dessen Orgaue haben ihn fast immer mit Schonung behandelt, ihn wohlwollend belehrt und ermahnt, wenn er auf Irrwege geraten war, und ihn: mit seltenen Ausnahmen ein nicht ganz gewöhnliches Maß staatsmännischer Begabung Angestanden. Und sie mußten sich die Anerkennung oft schwer genug abringen, da ihr Herz sie natürlich zu der Partei der großen Worte zog. Selbst in der Frage, welche zu dem jetzigen Konflikt geführt hat, konnten sie nicht anders als seine Gegner sein. Das pathetische: „Durchlancht, geben Sie Zigarrenfreiheit!" erregte zwar notwendigerweise Lachen in einem Lande, welches das Tabaksmonopvl einführen würde, wenn es nicht schon eingeführt wäre, bei einem Publikum, welches auf Reisen nach Frankreich, nach Italien, ja sogar nach Deutschland die Steuer nicht scheut, um die gewohnten Regiezigarren zu rauchen, es also um so mehr zu schätzen weiß, daß im Jnlande in dem kleinsten Neste wie in den Hauptstädten unter demselben Namen auch die selbe, gleichmäßig gearbeitete Zigarre zu haben ist. Aber eine Blnme mehr in dem Bouquet der unveräußerlichen Freiheiten, und sei es auch nur Tabaksfreiheit, wirkt doch unwiderstehlich, und zndem wußten wir ja, daß der Streit sich in Wahrheit nicht um das Monopol drehte, sondern um die Gefahr, die Regiernng unabhängig von den parlamentarischen Majoritäten werden zn lassen. Und gerade auf diesem Punkte muß er sein Geschoß über die Häupter der unmittelbaren Gegner, auf die Reihen der Bnndesgenossen derselben richten! Nun gilt keine Schvnnng mehr, und zwar wird zuvörderst Herr Engen Nichter förmlich zu „einem der vorzüglichsten Bürger des deutschen Staates" ernannt. Ist dieser deutsche Staat glücklich! Seine edelsten Söhne werden Hausirer, und seine vorzüglichsten Bürger sehen wie Herr Nichter aus. Freilich, der hausirt ja auch gern mit seiner einen, schon hundertmal neu aufgelegten Rede gegen den Kanzler! Und mnß ein fester Liberaler nicht cutzückt sein, aus dem Munde des Herrn Rickert zu erfahren, daß der Steuerexekntor eine so wichtige staatspädagogische Rolle in Deutschland spielt, indem er erstens bei dem Bürger das Bewußtsein der Schuldigkeit gegen den Staat aufrecht erhält, uud ihm zweitens die Mühe abnimmt, auf das Steneramt zu gehen? Wie klein erscheinen neben solcher Auffassung die sozialpolitischen Ansichten des Fürsten Bismarck! Und wer nicht Grönzboten III. 1332. 3